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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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rasselte meine Geschichte herunter, ein Tonbandgerät rasselte getreulich mit und speicherte alles, die technische Ausgabe des verstorbenen Günther Rath, die kalte Version. Irgendwann begannen sich die Fragen zu wiederholen und mir war klar, dass sie mich jetzt in Widersprüche verwickeln wollten. Schafften sie aber nicht. Hoffte ich. Ich nahm mir ein Beispiel am Tonband, schaltete auf Repeat, wenn es notwendig wäre auch auf Endlosschleife, die ganze Nacht durch, mir doch egal. Soweit kam es nicht. Der Beamte seufzte schließlich, sagte »Gut, dann hätten wir das also«, seine Kollegin nickte kaum merklich und lächelte mir für die Zeitspanne eines flüchtigen Blickes zu. Pass auf, hieß das, ich weiß, dass du lügst.
    Um die »Bauernschenke« zu erreichen, musste ich am Bahnhof vorbei, der noch immer der erleuchtete Feenpalast war, der summende Bienenstock, der fidele Friedhof. Hier hatte Günther Rath gearbeitet, eine kleine Existenz hinter einer Brottheke, hier war er gestorben, ein erschöpfter Mann auf einem Her renklo. Wie hatte ich ihn vorgefunden? Mit heruntergelassener Hose? Nein, das nicht. Völlig korrekt bekleidet, die Spitze des Regenschirms musste ihn erwischt haben, als er sein Geschäft schon beendet hatte, unter der Tür hindurchgeschoben, das Stück freie Haut am Knöchel anvisierend. Dann zustechen, der Schmerzensschrei Raths, ein schnellwirkendes, sogleich lähmendes Gift, das Opfer kann sich nicht mehr auf den Beinen halten, fällt um, stirbt qualvoll.
    Und dann? Muss Rath noch Zeit gefunden haben, ein Stück Papier, einen Stift zu ergreifen, etwas aufzuschreiben. Ich griff in meine Tasche und fühlte beides, Papier wie Stift. Während meines Wartens bei der Polizei hatte ich den Zettel vorsichtig herausgezogen, hatte gelesen: »Ouzo Akropolis Agrar Rarität Täterätätä«. Eine Wortkette, phonetische Übergänge bis auf Ouzo und Akropolis, wo die Verbindung eine geografisch-landsmannschaftliche sein musste. Aber mit alledem konnte ich nichts anfangen, es erzählte mir nichts, es waren die Namen von Zetteln, die mit Raths Tod endgültig vernichtet worden waren.
    Ich ließ den Bahnhof rechts liegen, begab mich in das Gewirr der kleinen Straßen rund um die Fußgängerzone, wich feierwütigen Partytieren aus, bannte eine finster dreinblickende Gestalt mit einem noch finstereren Blick. Komm mir heute nicht zu nahe, Bürschlein, sonst bröckelt dein Nasenbein schneller als du »Ey Alter, willst Streit?« sagen kannst. Er trollte sich, ich trollte mich. Mir war kalt, ich zitterte, ich rauchte unablässig, aber Zigarettenrauch hat noch niemanden von innen gewärmt. Dann die vertraute Fassade der »Bauernschenke«, es brannte noch Licht. Verschnaufen und eintreten.
    Sofort richteten sich alle Blicke auf mich. Meiner jedoch richtete sich nur auf Hermine, die am Tisch hockte, den Kopf zwischen den Handflächen. Sie schaute auf, sah mich, wurde käseweiß, rief: »Moritz! Du lebst? Na, dir werde ich...« Ich wusste nicht, was sie mir werden würde wollen. Ich sagte ein schüchternes »Hallo« und hatte plötzlich unbändigen Hunger.

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    Das sei ja ein dickes Ei. Ich fand Marxers Vergleich ein wenig unpassend, die Runde indes nickte ihn betroffen ab. Meine Geschichte hatte selbst mir, als ich sie erzählte, den Appetit gründlich verdorben, das senegalesische Nationalgericht (Der Name ist unaussprechlich und ich habe gar nicht erst den Versuch gemacht, ihn mir zu merken) stockte bei seiner Beförderung in meinen Magen wie ein störrischer Muli, denn diesen Ma gen versperrte ein unangenehmer schwerer Kloß. Vielleicht lag aber meine Appetitlosigkeit auch nur daran, dass ich Mineralwasser trank, einen für meine Ernährung völlig ungewohnten Stoff.
    »Wird ja immer schöner«, stellte Nancy fest und sah dabei Borsig so tief in die Augen, dass der kleine Mann sichtbar erschauderte. »Woher wissen DIE das überhaupt mit diesem armen Herrn Rath? Wurde der überwacht? Und warum?« Einige der vielen unbeantworteten Fragen. Es mochte sein, dass Rath jemandem von seinem bevorstehenden Treffen mit mir erzählt hatte. Dass er vielleicht in all dem geordneten Durcheinander seiner Erinnerungszettel eine Verbindung entdeckt hatte, die sich finanziell für ihn lohnen konnte. Also Erpressung? Ich traute es ihm irgendwie nicht zu, außerdem soll man nichts Schlechtes über Tote reden, aber so ganz von der Hand zu weisen war die Hypothese nicht.
    »Gib mal den Zettel«, forderte mich Marxer auf und hielt mir schon
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