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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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seine nach sherlockholmes'scher Detektion fiebernde Rechte hin. Ich reichte ihm das Ding, er las es sich durch, machte »so so« und »holla aber auch«, endete mit »das ist ja interessant« und gab mir den Zettel zurück. »Eine assoziative Reihe, die mit einem Ouzo beginnt.« Sehr schwach, Herr Krimiautor, dafür hätte ich auch einen Grundschüler um Expertise bitten können. Der Dichter vergewis serte sich, dass die gesamte Tischbesatzung – insbesondere deren weiblicher Teil – an seinen Lippen hing und fuhr fort: »Der Sprung zur Akropolis ist fol gerichtig, aber Achtung. Erinnern wir uns, wie der unglückliche Rath seine Assoziationsreihe begonnen hat. Mit Plüschhandschellen und einer –Pardon, Mesdames – eher zufälligen Bordellszene. Somit könnte auch der Ouzo im Grunde nicht wirklich zur Sache gehören und die Akropolis nichts weiter sein als eine ebenso willkürliche Assoziation, ein phonetisches Verbindungsstück zu Agrar.«
    Mohamad Ndaye hob schüchtern die Hand und bat ums Wort. Marxer sah ihn milde lächelnd an – immer gut, wenn man auch einmal Amateurmeinungen hört – und der Senegalese sagte: »Könnte es nicht sein, dass dieser Herr Rath – er befand sich schließlich im Todeskampf – gar nicht Agrar meinte, sondern Accra, die Hauptstadt von Ghana? Das wäre auch Geografie, oder? Und ist Agrar überhaupt ein WORT? Eine Art Vorsilbe, oder?«
    »Genau!«, mischte sich Irmi ein, »und agrar steht für Landwirtschaft, also vielleicht für diese merkwürdige Landkommune und ihren Geldlosfimmel? Dann wären wir wieder bei Thema. Und wie heißt das nächste Wort? Rarität? Also Seltenheit... Hm.« Sie grübelte, wir grübelten, sogar Marxer tat so, als grübele er. Etwas ganz Seltenes, vielleicht Einzigartiges... und dann dieses Täterätäta... eine Blaskapelle in einem verrauchten Bierzelt, gute Stimmung, schunkelndes Volk... Es brachte uns alles nicht weiter. Wir kannten den Mechanismus der Rathschen Assoziationen zu wenig, diese Bocksprünge der Gedanken und Dialogfetzen, die er gespeichert hatte.
    Wir schwiegen eine Weile, bis Sonja Weber, ausgerechnet Sonja Weber, sehr leise sagte: »Vielleicht hat der Unglückliche uns nur auf die Spur seines Mörders setzen wollen. Ouzo. Er kennt ihn aus Griechenland, irgendwo auf dem Lande, wo es etwas sehr Seltenes gibt, das mit Blasmusik zu tun hat.« Das klang nicht einmal dumm. Konnte ja sein, dass Rath in seiner Freizeit einem Orchesterverein angehört hatte, der zum hundertjährigen Bestehen der Stimmungskapelle »Gute Laune Saloniki-Land« dorthin gereist war und bei dieser Gelegenheit... ja, was eigentlich? Seinen Killer kennengelernt hatte?
    Wir grübelten weiter. So vor uns hin. Völlig sinnlos. Wie immer. Aber was ist schon Sinn.

297
    Wo waren sie hier eigentlich? In einem anachronistischen Häkelkrimi beim Lösen irgendwelcher Geheimnisse? Er, Marxer, der pfeifenrauchende, geigekratzende, gelegentlich kiffende und ansonsten brillant kombinierende Sherlock Holmes? Gefiel ihm alles nicht. Er hatte keine überzeugende Antwort auf die Fragen des Zettels gefunden, überhaupt: Was war denn DAS? Ein Beinahetoter kritzelt ein paar Wörter auf ein Stück Papier, haha, ganz alte Kiste, konnte man heute nicht mal mehr in der »Soko Kitzbühel« unterbringen.
    Sogar Jonas' Deutungsansatz war mit größerem Interesse aufgenommen worden als der seine. »Also ich mein jetzt mal, wieso eigentlich Ouzo? Vielleicht hat der Typ das einfach nicht richtig verstanden und 'Uh, so' ge meint oder USA oder You saw. Das ist Englisch, aber fragt mich jetzt nicht, was es heißt.«
    Amateure! Marxer stand eine lange Nacht bevor, denn natürlich würde er den ominösen Zettel durch sämtliche Maschinerien seines Gehirnes jagen, ihn der Inquisition seines Geistes überantworten, bis der Bursche, schlotternd vor Angst, seine Mysterien gestehen würde. Oder auch nicht. Für diesen Fall hatte Marxer bereits einen detektivischen Plan B, den Verdacht nämlich, Rath sei gar nicht der Verfasser des Zettels, dieser nichts sonst als eine ausgelegte falsche Spur, ein red herring, wie ihn die Kriminalliteratur gerne in den Boden rammte. Sei's drum. Er würde obsiegen.
    Es war schon weit nach Mitternacht, als sich die Runde endlich auflöste. Mit leichtem Neid registrierte Marxer, dass Hermine ihren Moritz in dieser Nacht nicht mehr aus den Augen lassen und zu diesem Zweck in ihr Bett packen würde, mit den üblichen Zeremonien natürlich. War doch der Hallodri quasi von den
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