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Die Ecstasy-Affäre

Die Ecstasy-Affäre

Titel: Die Ecstasy-Affäre
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sein.«
    »Dann wäre der Hinweis sinnlos.«
    »Er ist es grundsätzlich. Was sollen wir damit anfangen, daß ein Deal stattfindet, ohne Ort und Zeit zu kennen?«
    »Wir sollten beantragen, daß ab sofort die polnische Grenze verstärkt überwacht wird.«
    Reiber sagte das, obwohl er wußte, daß solch ein Vorschlag nur ein frommer Wunsch bleiben würde. Die polnisch-deutsche Grenze war löcherig wie ein Sieb; sie intensiv zu überwachen war technisch und personell gar nicht möglich. Der Chef sprach denn auch aus, was Reiber dachte:
    »Dann müßten wir entlang der polnischen Grenze eine Mauer à la Berlin bauen. Spaß beiseite – was können wir tun?«
    »Nichts!« Reiber sagte es so brutal, daß einige Kollegen zusammenzuckten. Das Wort ›nichts‹ ist innerhalb der Polizei ein verhaßtes Reizwort. ›Nichts‹ bedeutet Ohnmacht gegenüber dem Verbrechen, und oft genug hatte man ohnmächtig zusehen müssen, wie die internationale Kriminalität unaufhaltsam wuchs und Deutschland zum Idealland ihrer Aktionen auswählte. Die Samthandschuhe der deutschen Gesetze waren ein fabelhafter Nährboden für Verbrechen jeglicher Art geworden, und das von Bonner Politikern stur und uneinsichtig gehütete Abhörverbot öffnete der Kriminalität weit den deutschen Markt. Hauptkommissar Reiber hatte es im vertrauten Kreis einmal besonders drastisch und frustriert ausgedrückt:
    »Solange ein Bandenverbrechen mit vier Jahren, eine Steuerhinterziehung aber mit fünf Jahren bestraft wird, solange ein Mörder mit einem guten Anwalt, der auf psychische Schäden im Kindesalter plädiert, mit zehn Jahren davonkommt, in diesen zehn Jahren brav im Gefängniskirchenchor mitsingt und in der Zelle Marienbilder malt und deshalb als resozialisiert nach sechs Jahren entlassen wird, solange ist etwas faul in unserer Justiz! Denken Sie nur an den Fall in Norddeutschland: Da kommt eine Frau nach einigen Jahren Haft aus der Haftanstalt. Vorzeitig, wegen guter Führung. Und was geschieht? Ein paar Monate später begeht diese Frau einen Raubüberfall auf eine andere Frau und verletzt sie mit mehreren Messerstichen schwer. Verhaftung, Verhör, klarer Tatbestand. Und wie reagiert die Staatsanwaltschaft? Sie läßt die Frau frei. Kein Inhaftierungsgrund, weil ein nachweisbarer fester Wohnsitz vorhanden ist! – Ja, wo leben wir denn! – Angenommen, ich schlage dir jetzt den Schädel ein – mit 'nem Bierglas, nachdem ich schon vier Bier und zwei Schnäpse geschluckt habe. Was nun? Sehr wenig. Ich kann nachweisen, daß ich vor Jahren einen Autounfall hatte, mit einem Schädel-Hirn-Trauma. Ein Psychiater bescheinigt mir, daß ich im Augenblick des Mordes aufgrund einer Alkoholisierung in einem einmaligen Affekt-Tunnelsyndrom gehandelt habe, wobei das Wort ›einmalig‹ das wichtigste ist … Kein Gericht wird mich wegen Mordes verurteilen, höchstens wegen Totschlags bei einer vorübergehenden Unzurechnungsfähigkeit. Da kommt ein mildes Urteil raus! Dabei wollte ich dich umbringen! Es war eiskalter Mord! Aber ich laufe weiter frei herum, und du bist tot! – Bei uns ist eine Menge faul in der Justiz.«
    Jetzt sagte Reiber: »Es bleibt uns nur eins, und das wäre großes Glück oder Zufall: Wir bekommen einen Wink von einem unserer verdeckten Ermittler in der Szene. Aber dann ist das Heroin längst im Hafen.«
    »Haben wir verdeckte Ermittler in Vietnamkreisen?«
    »Nein. Aber in den polnischen.«
    »Und da bleibt noch eine wichtige Frage offen.« Der Chef des Dezernats beugte sich etwas vor. »Wenn die Polen mitspielen, warum gibt uns dann ein Pole diesen Tip?«
    »Das habe ich mich auch gefragt.« Reiber nahm einen Schluck aus dem Wasserglas, das vor ihm stand. Seine gegenwärtige Hilflosigkeit trocknete seine Kehle aus. »Da muß einer sein eigenes Süppchen kochen.«
    »Indem er seine Kumpane verrät?«
    »Möglich. Vielleicht aus persönlicher Rache …«
    »Dann hätte er genaue Angaben über den Deal gemacht. Aber diese vage Andeutung … Ich glaube eher, daß da jemand der Polizei klarmachen will, daß sie in Zukunft mit einer neuen Verbrechergruppe zu rechnen hat.«
    »Niemand gibt aus dem Untergrund sein Vorhandensein bekannt.«
    »Man will Unruhe stiften! Die Polizei verunsichern. Ein neues Syndikat. Na, dann tappt mal schön im dunkeln.« Der Dezernat-Chef erhob sich. »So sehe ich das. Ein Affront gegen die Polizei! Was bleibt zu tun? Abwarten. Abwarten, ob es in Kürze Hinweise gibt, daß diese vietnamesisch-polnische Gruppe wirklich
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