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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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ihrer Stirn glättete sich. „Sie können etwas entwerfen. Aber ich werde vielleicht Änderungen haben.“
    „Kein Problem.“
    „Es muss echt aussehen. Ich will, dass es einen Kenner täuscht.“
    „Was haben Sie damit vor?“ Er fragte nur halb im Scherz.
    Marthas Gesicht hellte sich auf, der Anflug eines Lächelns. Ihre Lippen waren blass und scharf gezeichnet, so wie alles an ihr. „Mein Großvater hat Gemälde gesammelt. Deutsche und niederländische Meister. Er hat mir seine Sammlung vererbt, ich führe sie weiter.“ Sie schwieg einen Moment. „Ich liebe Vermeer van Delft. Allerdings verfüge ich nicht über die Mittel, eines seiner Werke zu erwerben. Falls es auf dem freien Markt verkäuflich wäre.“ Martha zuckte mit den Schultern. „Was ohnehin nicht der Fall ist. Diese Überlegung ist also rein hypothetisch.“
    „Haben Sie das Bild dabei?“, fragte Verhoeven.
    Henryk bückte sich und zog das Päckchen aus der Tasche, ein kleiner Keilrahmen, den er in eine Zeitung eingeschlagen hatte.
    Er spürte ihre Blicke, Marthas und die des Galeristen, während er die Hülle entfernte. Einen kurzen Moment flackerten Zweifel in ihm auf. Was, wenn er sie nicht überzeugte? Wenn es ihren Ansprüchen nicht gerecht wurde? Darüber hatte er nicht nachgedacht. Für einen Lidschlag stellte er sich ihre Stimme vor, die kühl akzentuierten Silben. Es tut mir leid, aber das können Sie nicht ernst meinen.
    Die Vorstellung trieb ihm Hitze ins Gesicht; dann registrierte er, dass er mitten in der Bewegung erstarrt war. Sein Kopf ruckte hoch. Er sah die Frage in Marthas Augen und schluckte. Der Augenblick ging vorbei. Hastig riss er die Reste der Verpackung ab. Seine Fingerkuppen schrammten über die Farbe.
    „Vorsichtig!“, wisperte Verhoeven.
    Henryk richtete sich auf und hielt Martha das Bild hin.
    „Nehmen Sie es“, sagte er. „Es zerbricht nicht.“
    „Oh“, murmelte sie, als sie das Motiv erkannte. Sie griff den Keilrahmen mit beiden Händen. „Die Spitzenklöpplerin . Das Original ...“
    „... hängt im Louvre“, vervollständigte Henryk.
    „Sie haben das kopiert?“
    „Im letzten Jahr.“ Er lächelte schwach. „Einer chemischen Analyse hält es nicht stand.“
    Martha ließ das Bild sinken.
    „Aber das ist nur eine Frage des Aufwands“, fügte er hinzu. „Man braucht Originalleinwände, die richtigen Pigmente...“
    „Können Sie das alles beschaffen?“
    „Das ist kein Problem“, sprang Verhoeven ein. „Der materielle Einsatz dürfte etwas höher sein, aber“, er lachte, „nichts, was den Wert eines Mittelklassewagens überschreitet.“
    „Sehr beeindruckend“, sagte sie zu Henryk.
    Er sah sie an und wusste, dass sie es ernst meinte.
    „Noch etwas.“ Sie reichte ihm den Keilrahmen zurück. „Ich möchte, dass Sie das vertraulich behandeln. Es geht niemanden etwas an.“
    „Das ist selbstverständlich“, versicherte Verhoeven, bevor Henryk etwas erwidern konnte. „Es ist Ihre Privatsache, was Sie später auf das Schild darunter schreiben.“
    Henryk hatte den Eindruck, dass der letzte Satz vor allem an ihn gerichtet war.
     

5
     
     
     
    Ein Windstoß trieb Frost in den Raum.
    Henryk presste eine Handfläche auf die Eisschicht, die das Fensterglas bedeckte. Zwischen seinen Fingern schmolz Wasser auf.
    Verhoeven hatte Wort gehalten, was den Vorschuss betraf.
    Das Geld reichte, um Mieten und Stromrechnungen zu begleichen und sicherte den Lebensunterhalt für ein Jahr. Mehr konnte er nicht erwarten.
    Tief holte er Atem und beugte sich vor. Rauch hing über den Dächern. Er blickte hinunter zu den Schaufenstern voller Lichterketten, genoss den Wind im Gesicht, die prickelnde Kälte.
    Seit einer Woche zeichnete er.
    Er hatte nicht gelogen, als er Martha gesagt hatte, dass es machbar war. Eine laborsichere Fälschung zu erschaffen. Er wusste, worauf er achten musste. Theoretisch.  
    Er drehte sich zurück in den Raum und schlug das Fenster zu. Sein Blick streifte das Bild neben der Tür, eine Leinwand in verschrammtem Holzrahmen, die Verhoeven vor zwei Tagen gebracht hatte. Plastikfolie hing in Fetzen herunter, wo er sie aufgetrennt hatte.
    Es war eine liturgische Szene, Maria mit dem Leichnam Christi. Henryk wusste weder, woher das Bild stammte, noch kannte er den Namen des Malers. Feuchtigkeit und Schimmel hatten die Farben beschädigt. Wahrscheinlich hatte Verhoeven das Bild für einen Spottpreis gekauft, vielleicht von einer Dorfkirche, die Geld brauchte.
    Er würde die alten
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