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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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Tisch. Seine Finger glitten über die Holzplatte, fegten blindlings Pinsel und Farbtuben beiseite und ertasteten die Vorlage, eine herausgerissene Seite aus einem Bildband.
    Als die Klingel anschlug, zuckte er zusammen. Sein Blick irrte zur Uhr an der Wand. Warum hatte er den Aufzug nicht gehört?
    Die Klingel schrillte erneut, jetzt länger.
    Und dann wieder, in kurzen asthmatischen Stößen.
    Henryk starrte die Tür an. Er machte zwei Schritte, blieb stehen und warf einen Blick zurück zum Mädchen. Sie lächelte unverdrossen, obwohl nun Schatten ihr Gesicht verdüsterten.
    „Los, machen Sie auf!“ Eine Männerstimme, dumpf von der anderen Seite. „Ich weiß, dass Sie zu Hause sind.“ Ein paar Schläge mit der flachen Hand gegen die Tür. „Jetzt öffnen Sie schon.“
    Der Lichtstreifen unter der Türkante erlosch. „Ich gehe hier nicht weg!“ Der Tonfall kippte über, wie bei einem Betrunkenen. „Machen Sie die Tür auf! Wir müssen reden.“
    Es war kurz vor Mitternacht, der Lärm hallte durchs Treppenhaus wie Kanonendonner. Ärger loderte in Henryk auf. Er straffte sich, durchquerte den Raum und zog den Riegel zurück.
    Die Lampe vor dem Aufzug erwachte flackernd zum Leben.
     
     
     
    „Sie!“
    Verhoevens Atem roch nach Wein. Mit der Schulter drückte er die Tür auf. Sein Gesicht war gerötet, aber sein Haar und der Mantel waren trocken. Er musste mit dem Wagen gefahren sein. „Herrgott, ist das kalt hier.“
    „Ich habe die Heizung abgestellt.“
    Krachend fiel die Stahltür ins Schloss. „Frieren Sie nicht?“
    Henryk schüttelte den Kopf. Er spürte einen Stich Verlegenheit, aber nur schwach. Der Wein betäubte sein Schamgefühl. „Was wollen Sie?“
    Verhoeven nestelte eine Zigarette aus der Jackentasche. „Nachdem Sie vorhin so plötzlich verschwunden sind, dachte ich, ich sehe mal nach, wie es Ihnen geht.“
    „Mir geht’s gut.“
    „Nennen Sie mich Paul.“ Verhoeven streckte eine Hand aus. „Jetzt, wo wir doch Geschäftsfreunde sind.“
    Henryk sah ihn nur an.
    „Wollen Sie nicht wissen, wie die Vernissage gelaufen ist?“
    „Ich war dort.“
    Auf Verhoevens Stirn bildete sich eine Falte. „Sie hätten noch bleiben sollen. Die Leute haben nach Ihnen gefragt.“
    „Diese Reporterin?“ Henryk drehte sich zur Staffelei. Er hörte, wie der Galerist sich einen Stuhl heranzog.
    „Warten Sie.“ Verhoevens Stimme klang schärfer. „Jetzt hören Sie mir zu. Wir müssen etwas bereden.“
    Die Augen des Mädchens glitzerten im Dunkel.
    „Peter Baeskens hat sein Angebot zurückgezogen“, sagte Verhoeven.
    Henryk blinzelte ein paar Mal. Seine Fingerspitzen fühlten sich kalt an.
    „Er wird die Bilder nicht kaufen. Hören Sie mir zu?“
    „Ja.“ Henryk sah ihm nicht ins Gesicht. Enttäuschung sickerte in seinen Körper. Er presste eine Hand gegen seinen Nacken.
    „Das ist schlecht.“
    „Ja“, flüsterte Henryk. Er fragte sich, ob Verhoeven verschwinden würde, wenn er sich nur intensiv genug darauf konzentrierte. Sein Mantel schien jäh durchlässig geworden zu sein. Er fröstelte und spannte seine Schultern an, um das Zittern zu unterdrücken.
    „Andererseits ist es auch kein Weltuntergang. Es gibt nämlich einen anderen Interessenten.“
    Stoff raschelte, Holz schrammte auf Holz. Ein Feuerzeug klickte. Tabakgeruch breitete sich aus. Henryk wandte sich um. Verhoeven blickte zu ihm hoch, den Kopf auf eine Hand gestützt, in der anderen die brennende Zigarette.
    „Für welches Bild?“ Henryks Lippen fühlten sich steif an. Aber das war nichts, er hatte sich wieder im Griff.
    „Keins von denen, die in der Galerie hängen.“ Der Galerist lehnte sich vor. „Wenn Sie noch etwas länger geblieben wären, hätten Sie selbst mit der Dame reden können.“
    Henryk machte einen Schritt rückwärts, bis er die Tischkante in seinem Rücken spürte. Er lehnte sich leicht dagegen. Verhoeven sollte nicht sehen, dass er erschöpft war.
    „Es geht um Ihre Kopien.“ Er nickte mit dem Kopf zur Staffelei. „Sie machen das schon lange, hat mir Lauwaert erzählt. Sie haben eine richtige Meisterschaft darin entwickelt.“
    „Die sind nicht verkäuflich.“ Das Gespräch nahm eine Wendung, die Henryk nicht gefiel.
    „Sie sollen sie auch nicht verkaufen.“ Verhoeven bückte sich und drückte seine Zigarette auf dem Steinboden aus. „Die Interessentin will ihren eigenen Vermeer.“
    „Ich glaube nicht“, setzte Henryk an, „dass ...“
    „Nicht nur einen. Sie würde wohl sogar mehrere in
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