Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe
Autoren: Helen Fitzgerald
Vom Netzwerk:
Gefahr. Er fühlte Celias Puls und trug sie so leise er konnte ins Erdgeschoss hinauf. Am Empfangstresen legte er sie in die stabile Seitenlage und überzeugte sich davon, dass sie regelmäßig atmete. Dann rief er die Polizei an.
    Als Nächstes hastete er zurück in den Entspannungsbereich und die Treppe hinab in den alles verschleiernden Nebel. Er schaute überall nach: Dampfraum 1, Dampfraum 2, Sauna 1 … dann Sauna 2. Die Tür war verschlossen, und er sah durch die Glasscheibe, dass Bronwyn und Hamish sich drinnen in Krämpfen am Boden wanden.

50
    Der kranke Mann fühlte sich sehr krank. Er erinnerte sich, wie er als Junge einmal krank gewesen war und seine Mutter das Wasser aus einem feuchten Waschlappen langsam auf seine Stirn hatte tröpfeln lassen. Das war ein gutes Gefühl gewesen. Vielleicht hatte seine Mutter ihn sogar angelächelt. Er konnte sich nicht mehr genau erinnern, aber die Vorstellung gefiel ihm.
    So ein Wasserrinnsal war genau das, was er jetzt brauchte, wie damals, als er in Tagen voll lähmender Agonie auf jedes Geräusch an der Tür gehorcht und nach jedem Passanten vor dem Fenster Ausschau gehalten hatte, immer in der Hoffnung, dass sie es sei, die endlich nach Hause käme. War sie das? Kam sie endlich zurück? Nein, sie war es nicht. Es war ein Briefträger, eine Joggerin – das fühlte sich einen Moment lang ganz gut an –, noch ein Briefträger, noch einer, ein Sozialarbeiter … kein Wasser, das aus dem Waschlappen tröpfelte.
    Seitdem hatte er sich, bis auf wenige, seltene Ausnahmen, eigentlich ständig krank gefühlt. Aber niemals war er wieder so krank gewesen wie damals, im Kinderzimmer seines zwölf Jahre alten Ichs. Nicht einmal jetzt, da er auf dem Boden einer Sauna lag, in der ein Aufguss aus Rasierklingen ihm die Eingeweide zerfetzte.
    Ob er es jetzt bitte hören könnte?
    Nicht das Husten, das Klopfen und das Brüllen. Nicht das Splittern von Glas und den lauten Aufschrei eines Mannes. Sondern das sanfte Geräusch von Wasser, das aus einem Waschlappen auf seine Stirn tröpfelte.
    Ob das möglich wäre?
    Bitte?

51
    Pete hatte alles verloren. Seine Mutter bei der Geburt – an den Alkohol. Seinen Vater mit fünf – an England. Seine Heimat mit vierundzwanzig – an geklaute Autos. Und jetzt …
    Wie bei den anderen Anlässen empfand er deutlich, dass er machtlos war. Er dachte an damals, als es mit dem Geschrei zu Hause so schlimm geworden war, dass sein Vater ein Taxi gerufen, ihn in der Tür umarmt und weinend gesagt hatte: »Es gibt nichts, was ich noch tun könnte, Sohn. Ich besuche dich.«
    Er dachte an damals, als seine Mutter ihre Hose vollgepinkelt hatte, während er zwei Fertigpackungen Lasagne »mit echtem Fleisch« in der Mikrowelle aufgewärmt hatte.
    An damals, als das Bedürfnis, Leckt mich am Arsch zu sagen, so überwältigend groß geworden war, dass er mit der bloßen Faust eine Scheibe eingeschlagen und einem Polizisten einen Hieb ins Gesicht versetzt hatte.
    Er war Verluste gewöhnt. Aber als er Bronwyns Körper mit Wasser abspülte und inständig hoffte, dass die Giftstoffe ihren Körper verlassen würden, da betete er zu Gott, dass der Krankenwagen schnell sein möge. Weil er nicht schon wieder etwas verlieren wollte. Weil er nicht schon wieder ein Stück härter und abgestumpfter werden wollte.
    ***
    Vera Oh raste mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Süden, als der Anruf eintraf. »Verdammt«, sagte sie, »Scheiße«, sagte sie, »Dreck«, sagte sie, und dann scherte sie mitten auf der Autobahn bei voller Fahrt aus.
    »Verdammter Scheißdreck«, sagte sie, nahm eine ihrer Notfallzigaretten aus dem Handschuhfach, steckte sie an und sog schlechtes Gewissen in ihre Lungen. Es war ihre Schuld. Oder etwa nicht? Sie hatte ihn in der Zelle gehabt, den Hänfling. Hatte ihn ausgiebig verhört und ihr Bauchgefühl ignoriert, dass er es sein könnte, dass etwas faul sein könnte an der Art, wie er immer mit der richtigen Antwort aufwartete.
    »Ist nur so ein Gefühl«, hatte sie einem anderen Vernehmer gestanden, »nichts Konkretes.« Und da ihr Verdacht gegen den Ehemann und gegen Peter McGuire und seiner Ledermaske in situ fortbestand, hatte sie ihn laufen lassen.
    »Verdammter Scheißdreck, beschissener Dreckscheiß, scheißdreckige Verdammnis«, setzte sie ihre Tirade fort und steckte sich die zweite Notfallzigarette an.
    »Du sollst doch nicht mehr als eine rauchen«, merkte ihr Kollege auf dem Beifahrersitz an und legte die Silk Cuts zurück ins
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher