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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe
Autoren: Helen Fitzgerald
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im Flugzeug ein Getränk zu bestellen.
    Sie lächelte, denn in der letzten Stunde hatte sich vieles geändert.
    Hamish schlug gegen das Glas, noch fester diesmal, und die beiden Risse vergrößerten sich.
    Bronny senkte die Büchse. Zischend und brutzelnd tropfte die Flüssigkeit auf die Kohlen. Ein giftgelber Dampf stieg auf und drang ihnen rasiermesserscharf in die Kehle.
    Hamish und Bronny sackten auf dem Boden zusammen.
    ***
    Bronny hatte viel darüber nachgedacht, wie es sein würde, wenn es eines Tages tatsächlich passierte.
    Sie hatte gedacht, dass sie wütend um Hilfe schreien würde, damit der Schmerz endlich aufhörte. Dass sie »Nein!« oder »Mehr Morphium!« oder »Hilfe, Hilfe! Bitte, helft mir doch!« rufen würde.
    Sie hatte gedacht, dass sie ein Licht sehen und mit seltsam friedlichem Gesichtsausdruck ihre Hand danach ausstrecken würde.
    Sie hatte gedacht, dass sie sich wahrscheinlich mit einem hässlichen, angegrauten BH und einer nicht dazu passenden Unterhose blamieren würde.
    Sie hatte gedacht, dass sie im letzten Moment zum Katholizismus übertreten könnte – nur für alle Fälle.
    Sie hatte gedacht, dass einzelne Momente ihres Lebens an ihr vorbeirauschen würden wie überholende Lastwagen auf der Autobahn.
    Sie hatte gedacht, dass sie über sich selbst schweben und auf ein von Ärzten, Krankenschwestern und weinenden Angehörigen umringtes Bett herabsehen würde.
    Sie hatte gedacht, dass sie ein letztes Grüppchen aus einer langen Warteschlange in ihr Krankenzimmer rufen würde, um ihnen zu sagen, dass alles gut sei und sie – in gewissem Sinn – immer bei ihnen bleiben werde.
    Sie hatte gedacht, dass sie die erste Person aus einer sehr kurzen Warteschlange in ihr Krankenzimmer rufen würde, nur damit eine Furcht einflößende Krankenschwester ihr mitteilte, der betreffende Mensch sei mal kurz in den Laden an der Ecke gegangen, um Eier zu kaufen.
    Sie hatte gedacht, dass Schreckensschauer sie überwältigen würden angesichts der Vorstellung, dass dies alles gewesen sein solle, dass jetzt der Tod käme.
    Jetzt, wo der Moment tatsächlich gekommen war, wollte sie weder um sich schlagen noch kreischen noch schreien noch ihre Hand zum Licht ausstrecken, und sie war so wenig angsterfüllt wie sie über letzte Worte nachdachte. Stattdessen war sie voll und ganz mit Husten beschäftigt, und wenn sie nicht so sehr mit Husten beschäftigt gewesen wäre, dann hätte sie weinen wollen, sonst nichts.
    Bronny nahm eine embryonale Haltung ein. Als sie ihre Beine so weit wie möglich vor die Brust zog, sah sie auf ihrem linken Knie ein winzige Narbe, die ihr nie zuvor aufgefallen war. Die musste von ihrem Dreiradunfall als Dreijährige stammen.

49
    Vera Oh setzte Pete vor dem Eingang des Porchester ab. Sah ganz so aus, als ob dieser Scheißkerl namens Hamish nach Frankreich abhauen wollte.
    »Keine Sorge, den kriegen wir«, sagte sie. Sie war fest davon überzeugt, diesmal den Richtigen zu verdächtigen, und sie war voller Zuversicht, dass sie ihn rechtzeitig aufspüren würde, um Celia zu retten.
    Pete sprang aus dem Polizeiauto und lief auf die Tür an der Ecke zu. Zwar hatte ihm der Arzt seine Frage nicht direkt beantwortet, aber am Klang seiner Stimme hatte Pete erkannt, dass es ein Ja war. Die arme Bronny, sie hatte die schreckliche Krankheit. Pete war froh, dass sie zumindest einen sicheren Zufluchtsort gefunden hatte. Er betete, dass sie noch da sei, damit er sie in den Arm nehmen und ihr sagen könne, dass alles gut werden würde. Sie würden gemeinsamen einen Weg finden, die Sache zu meistern. Vor ihnen lagen noch mindestens zwanzig Jahre der Liebe und des Glücks – mehr, als den meisten Menschen in ihrem ganzen Leben vergönnt ist.
    Pete brach das Schloss auf und betrat das Gebäude. Hier drinnen war es stockfinster und mucksmäuschenstill.
    »Bronny?«, rief er.
    Er befühlte die Erde im Topf der Bambuspalme: feucht. Sie war hier.
    »Bron, ich weiß, dass du mit dem Arzt gesprochen hast. Wo bist du?«
    Er warf einen Blick in die Küche – keiner da. Er ging durch die Doppeltür und die Treppe hinab. Hier unten stand alles unter Dampf.
    »Bronny! Wo bist du?«
    Als er sich den Dampfräumen näherte, stolperte er. Er rappelte sich auf und sah, dass er über eine Frau gestolpert war.
    Er kniete sich hin und drehte die Frau auf den Rücken. Kein Zweifel, das war Celia. Ihm stockte der Atem, denn er begriff schlagartig, was das bedeutete: Hamish war hier, und Bronny schwebte in höchster
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