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Die dunkle Seite des Mondes

Die dunkle Seite des Mondes

Titel: Die dunkle Seite des Mondes
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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tote Ameise prallte. Anscheinend hatte Kyle die Nervenstränge des Moroni zerrissen. Der Megamann beugte sich über den Wächter vor der Tür. Im Licht der Deckenbeleuchtung konnte Hartmann erkennen, daß unter Kyles verbrannter Haut sich eine glatte, schwarze Masse abzeichnete, schimmernd wie geölter Panzer an den Stellen, wo das abgestorbene menschliche Gewebe sich bereits von ihm gelöst hatte. »Was geschieht mit Ihnen?« fragte er gegen seinen Willen. »Ich weiß es nicht«, sagte Kyle. »Es muß beim letzten Transmitter-Durchgang passiert sein. Zu Anfang war es schmerzhaft, und es hat mich alle Kraft gekostet, die ich noch hatte, aber jetzt … ist es angenehm.« »Sie verwandeln sich«, sagte Hartmann, auf grauenvolle Weise fasziniert von dem Anblick. Die linke Gesichtshälfte war ein starrer Panzer aus schwarzem Chitin, auf dem noch die Überreste des verbrannten Gesichts hingen, und das nun wieder offene Auge hatte eine gleichmäßig glitzernde, dunkelblaue Färbung angenommen. »Nur dort, wo ich verletzt worden bin«, antwortete Kyle. »Es sieht so aus, als wenn meine Wundheilung manipuliert worden ist. Mein eigenes Gewebe regeneriert sich nicht mehr, sondern wird durch anderes ersetzt.« Er hob die rechte Hand, deren Finger wie Krallen aussahen, die aus Ebenholz geschnitzt waren. »Ihre eigenen Leute?« fragte Hartmann, während es ihm gelang, seine Arme von dem leblosen Zangengriff seines toten Bewachers zu lösen. »Das steht außerhalb unserer Macht«, antwortete Kyle, aber sein Tonfall klang unsicher. Hartmann verzichtete auf Widerspruch. »Nun«, versetzte er, »dem Shait haben wir das wohl kaum zu verdanken. Schließlich wollte man uns hier festhalten.« »Sie waren dumm, es überhaupt zu versuchen«, antwortete Kyle. Hartmann riß sich von dem toten Krieger los und sah sich um. Der Moroni, der Kyle festgehalten hatte, lag auf dem Rücken. Die meisten Extremitäten waren zerfetzt worden wie morsches Holz, und der Brustkorb war eingedrückt. Die Ameise wirkte, als sei sie mumifiziert worden. Es war kein Blut zu sehen, der Kadaver wirkte wie eingetrocknet. »Was haben Sie mit ihm gemacht?« fragte er, während er um die tote Ameise herumging und sich dabei vorsichtig einem der Regale näherte.  »Er war schon tot, bevor ich zu Bewußtsein kam«, antwortete Kyle. »Vielleicht habe ich mich von ihm … genährt. Ich weiß es nicht.« Hartmann warf ihm einen Blick zu. Kyle wirkte, von den Stellen abgesehen, an denen fremdes Gewebe sein eigenes ersetzt hatte, unverkennbar menschlich, und seine Haltung zeigte, daß er die unheimliche Schwäche überwunden hatte, die ihn nach der Flucht aus der Schwarzen Festung befallen hatte. Was immer in ihm vorging, es schien ihm noch nicht zu schaden. »Sie werden das nicht brauchen«, sagte Kyle mit kaltem Spott. Hartmann folgte dem Blick und betrachtete einen Moment lang seine rechte Hand, die nach einer der verpackten Handgranaten getastet hatte. »Vielleicht nicht«, sagte er und nahm den Behälter an sich. »Wie Sie wollen«, sagte Kyle. »Woher weiß ich, ob ich mich auf Sie noch verlassen kann«, sagte Hartmann, während er die Granate auspackte. »Ich weiß nicht einmal, was Sie sind. Sie wissen es ja selbst nicht mehr.« Kyle hinderte ihn nicht daran, die Granate zu entsichern. »Sie sind kein Jared mehr, nicht im eigentlichen Sinn«, fuhr Hartmann fort. »Vielleicht beginnen Sie gefährlich zu werden. Sie sind von Ihrer Gemeinschaft isoliert, Kyle, nicht wahr? So, wie diese armen Kreaturen isoliert waren.« Er deutete mit der Handgranate auf die drei toten Ameisen. Kyle verzog das Gesicht zu einem freudlosen Lächeln. »Sie sind nicht dumm, Hartmann.« Hartmann nickte. »Vermutlich sind Sie zu schnell für mich«, sagte er. »Und vielleicht genügt eine Granate nicht, um Sie zu töten, aber hier lagern mehrere tausend Tonnen Explosivstoff.« »Wir haben einen gemeinsamen Feind«, sagte Kyle nach einer Weile. »Das frage ich mich«, sagte Hartmann, obwohl er dem Jared glaubte. Kyle verzichtete auf eine Antwort. Nach einer Weile seufzte Hartmann und sicherte die Granate wieder. »Na schön«, sagte er. »Sieht so aus, als könnte ich jetzt nur schlechte Entscheidungen treffen.« Er schwankte und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren. Ein plötzlicher Schwächeanfall ließ ihn am Regal Halt suchen, und mehrere kleine Kartons mit Explosivgeschossen fielen auf den Boden. »Seien Sie vorsichtig«, sagte Kyle besorgt. »Ihre vitalen
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