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Die dunkle Schwester

Die dunkle Schwester

Titel: Die dunkle Schwester
Autoren: Frewin Jones
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fast zwei Meter groß, eine Ungestalt, die einem Riesenvogel mit einem langen schuppigen Schlangenhals glich. Das rote Auge des Ungetüms funkelte böse, der lange, gebogene Schnabel war aufgerissen, und eine schwarze Schlangenzunge schnellte daraus hervor. Seine Federn waren wie scharfe Stacheln, und die gigantischen dicken Beine ganz mit schwarzen Schuppen bedeckt. Die riesigen Krallen klapperten über den Steinboden, als das Monster hervorstürzte, den Kopf zur Seite hochgereckt, sein rotes Auge auf Sancha geheftet. Die Flügel schepperten eisengleich, und Tania starrte wie gelähmt auf den langen nackten Schwanz, der über den Steinboden schleifte und an der Spitze mit einem tödlichen Stachel bewehrt war. Aus der Kehle der Kreatur drang ein schnarrendes Geräusch, das ihr durch Mark und Bein ging.
    »Sancha!«, schrie Zara. »Dreh dich weg, schnell!«
    Als Tania vorsichtig zwischen ihren Fingern hindurchspähte, sah sie ihre Schwester wie erstarrt vor dem Basilisken stehen. Sofort zog sie ihr Schwert und stürmte schreiend vorwärts. Sancha hatte zwar gesagt, dass ein Schwert nichts gegen den Basilisken ausrichten konnte, aber das war ihr in diesem Moment gleichgültig.
    Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Zara sich die Hände vors Gesicht hielt, und sie hörte Edric schreien: »Nein, Tania, nicht!«
    »Lass sie ja in Ruhe, du Monster!«, brüllte Tania und stürzte den Gang entlang.
    Der Basilisk stieß einen markerschütternden Schrei aus. Sancha schwankte und stürzte zu Boden.
    Jetzt stand nichts mehr zwischen Tania und dem bösen Basiliskenblick. Alles lief wie in Zeitlupe ab. Sie hörte Edric schreien, aber ihr Herz klopfte so laut, dass seine Stimme darin unterging. Als das rote Auge des Basilisken ihren Blick einfing, wich alle Kraft aus ihrem Körper. Sie stürzte auf die Knie.
    Dann sang plötzlich eine Frauenstimme in der Dunkelheit: »Komm, Sommersonne, komm, helles Himmelszelt, komm, goldenes Morgenlicht!«
    Eine Flut von grellem Sonnenlicht drang durch den Eingang hinter dem Basilisken herein. Der lange dünne Hals des Untiers krümmte sich und es stolperte unter wildem Flügelschlagen von der Lichtquelle weg.
    Jetzt trat die Frau selbst hervor, einen Arm erhoben, eine goldene Kugel in der Hand, die funkelnde Lichtblitze durch den langen Gang schleuderte. Zu Füßen der Frau stolzierte ein Hahn mit prächtigem rotgoldenem Gefieder. »Komm, furchtloser Künder der Dämmerung, komm, edler Gespornter, und grüße den neuen Tag! Lass deine Stimme erschallen, wie vor undenklichen Zeiten.«
    Der Basilisk schrie auf, aber sein Kreischen ging im Gesang des Hahns unter, der seinen Kopf hob und lauthals zu krähen begann. Der Basilisk wich zurück, schlug mit den Flügeln, wankte und taumelte, dann schnurrte er zusammen wie ein angestochener Luftballon. Das Schnarren, das aus seiner Kehle drang, verwandelte sich in ein hohes Winseln, und schließlich stürzte er zu Boden, klein, verschrumpelt und schwarz verkohlt, als sei er ins Feuer gefallen.
    Das gleißende Licht erlosch, und es wurde wieder finster im Gang, der nur noch vom rötlichen Fackelschein erhellt wurde.
    »Mir scheint, ich bin gerade noch rechtzeitig gekommen«, sagte die Frau.
    Jetzt, da sie nicht mehr von dem grellen Licht geblendet war, erkannte Tania die Gestalt mit den langen weißen Haaren und den leuchtend blauen Augen.
    Es war ihre älteste Schwester, Prinzessin Eden.

III
    Z ara stürzte als Erste zu Eden hin. »Du lebst!«, stieß sie erleichtert hervor.
    Eden lächelte grimmig. »Das wohl, auch wenn ich dem Tod in letzter Zeit oft nur um Haaresbreite entronnen bin«, erwiderte sie. »Aber noch hat mir das Gesindel von Lyonesse nicht den Garaus gemacht.« Sie kniete sich neben Sancha und strich ihr über die wirren Haare. »Seid unbesorgt, sie wird sich erholen«, sagte sie. »Sie hat dem Ungetüm nur einen kurzen Moment ins Auge geblickt.« Hoffnungsvoll sah sie die anderen an. »Doch sagt mir, habt ihr euren Auftrag erfüllt? Ist die Königin im Elfenreich?«
    »Ja, sie ist im Wald bei Cordelia«, antwortete Tania.
    Eden seufzte erleichtert und ein Lächeln erhellte ihre strengen Züge. »Gut«, sagte sie, »so war doch nicht alles vergebens, wie ich befürchtet hatte. Doch wir müssen diesen Ort schleunigst verlassen. Die Horden des Hexenkönigs durchschwärmen die Gänge des Palastes wie Ungeziefer.«
    »Wir sind gekommen, um König Oberon zu suchen«, sagte Edric.
    »Er ist nicht hier«, erwiderte Eden.
    »Das wissen wir,
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