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Die dunkle Schwester

Die dunkle Schwester

Titel: Die dunkle Schwester
Autoren: Frewin Jones
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Treppe, ein Frauenschuh, der auf dem Parkettboden eines Ballsaals liegen geblieben war. Beklommen starrte Tania auf das verlorene Pantöffelchen, dessen Besitzerin wahrscheinlich tot war wie viele andere, und am liebsten wäre sie geflüchtet, weg von diesem Ort des Grauens.
    Hier war wild gekämpft worden, so viel stand fest. Zwar lagen nirgends Tote, aber zwischen den umgestürzten Möbeln, den zerbrochenen Gefäßen und anderem Zierrat blitzten unbeschädigte Kristallschwerter hervor. Tanias Herz zog sich zusammen. Wie waren die Waffen hierhergekommen? Hatten die überrumpelten Elfenritter sie weggeworfen und sich ergeben oder waren sie ihnen aus den Händen gerissen worden? Schaudernd wandte sie sich ab. Von dem Saal gingen mehrere Türen ab. »Und wohin jetzt?«, fragte sie leise.
    Edric zeigte auf eine offene Flügeltür am anderen Ende des Raums. »Hier entlang«, sagte er. »Wenn wir nach links gehen, kommen wir zu einer Treppe und dann in einen Hof, den du schon einmal gesehen hast.«
    Tania erkannte den weitläufigen Rasenplatz sofort, als sie ins Freie hinaustraten. Das letzte Mal hatten dort Kinder gespiel t – kleine Elfenkinder mit zarten durchsichtigen, schillernden Elfenflügelchen, die sie später einmal ablegen würden.
    Jetzt türmten sich im Hof halb verkohlte Möbel, die noch vor sich hin schwelten. Dünne Rauchfäden stiegen in die braune Luft. Auch das Gras war verkohlt. Alle Fenster zum Hof hin waren eingeschlagen und beim Gehen knirschten Glassplitter unter ihren Füßen.
    »Und das ist nun unser Zuhause!«, schluchzte Zara mit erstickter Stimme. »Seht nur, wie sie hier gewütet haben!«
    Sancha legte ihr den Arm um die Schultern. »Der Hexenkönig hat grausame Rache geübt für seine tausendjährige Gefangenschaft«, sagte sie. »Doch tröste dich, Schwester, sein Triumph wird nicht lange währen. Wir werden diese üble Brut besiegen, das schwöre ich.«
    Tania sah ihre Schwestern lange an. Zaras Kummer griff ihr ans Herz, und Sanchas zuversichtliche Worte klangen so wenig überzeugend, dass sie fröstelte. »Warum haut der Typ nicht einfach ab?«, sagte sie grimmig. »Wozu die ganze Zerstörung?«
    »Der Hexenkönig von Lyonesse ist ein wahres Ungeheue r – eine Kreatur voller Hass, Wut, Gier und Angst«, antwortete Sancha. »Er fürchtet alles Schöne, hasst Licht und Leben. Freude, Güte und Mitgefühl sind ihm ein Gräuel. Sein Herz wird keine Ruhe finden, solange das Elfenreich besteht.« Mit Augen, groß und dunkel vor Kummer, fügte sie hinzu: »Er ist nicht wie wir, Tania, glaub mir.«
    »Ich bringe ihn um«, zischte Tania. Eine nie gekannte Wut stieg in ihr auf. »Ich werde ihn finden und töten für das, was er getan hat!«
    Edric nahm ihre Hand. »Wir können nicht gegen eine solche Übermacht kämpfen«, sagte er. »Wir müssen zuerst König Oberon finden, das ist jetzt das Wichtigste.«
    »Ich weiß«, sagte Tania und holte tief Luft. »Aber ich hasse das alles. Ich könnte platzen vor Wut!« Sie riss sich von Edric los, packte ihr Schwert und ging zu dem Torbogen, der in das nächste Gebäude führte.
    Auch hier hatten die Grauen Ritter entsetzlich gewütet. Ein beißender Brandgeruch hing in der Luft und die Wände und Stuckverzierungen an den hohen Decken waren rußgeschwärzt. Überall lagen zertrümmerte Möbel, alles war verschmutzt und zerrissen, Bilder und Wandteppiche hingen in Fetzen herunter.
    Schließlich kamen sie in einen luftigen Saal, von dem eine Eichentreppe auf die Galerie im oberen Stock hinaufführte. Als sie den Marmorboden zur Hälfte überquert hatten, hörte Tania hallende Fußtritte über sich.
    »Die Grauen Ritter!«, zischte Zara.
    Wortlos huschten sie zu der Tür zurück, durch die sie gekommen waren. Tania lehnte sich gegen den offenen Türflügel, sodass sie von der Galerie oben nicht zu sehen war. Die Fußtritte wurden lauter. Sie schloss die Augen und sah die Lyonesse-Ritter deutlich vor sich: knochendürre Gestalten, in graue Kettenhemden gehüllt, die gespenstisch im fahlen Licht funkelten. Die langen Haarzotteln hingen wie Spinnweben um die ausgemergelten grauen Gesichter, die Augen waren blutrot und die dünnen Lippen zu einem grausamen, irren Lächeln verzerrt.
    Tanias Herz klopfte. Dem Lärm nach musste es ein ganzer Trupp von Grauen Rittern sein, der über die Holzgalerie trampelte. Was sollten sie nur tun, wenn die Kreaturen die Treppe herunterkamen? Umdrehen und weglaufen? Kämpfen?
    Doch dann entfernte sich das Fußgetrappel und es
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