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Die dunkle Schwester

Die dunkle Schwester

Titel: Die dunkle Schwester
Autoren: Frewin Jones
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einmal mit Clorimel sprechen.«
    Ein seltsames Licht erschien in den rauchgrünen Augen der Königin. »So?«, sagte sie. »Und worüber willst du mit ihr sprechen?«
    »Na j a … sie hat mir erzählt, dass vor langer, langer Zeit alle im Elfenreich Flügel hatten, und zwar ihr ganzes Leben lang. Ich will mehr darüber erfahren. Ich will wissen, warum sich das geändert hat.«
    »Oh.« Titania lächelte. »Eine große Aufgabe, Tania.«
    »Weißt du denn, was passiert ist?«
    Titania schüttelte den Kopf. »Nein, aber der Legende nach liegt die Antwort im Westlichen Ozean.« Ihre Stimme nahm einen feierlichen, raunenden Tonfall an, als wollte sie eine geheimnisvolle Ballade vortragen. »Jenseits der Flachsküste und Heidehügel von Alba, jenseits der Smaragdberge von Erin, dem Reich der verzauberten Wasser, und jenseits der Drachengipfel von Hy Brassail, weit, weit entfernt im Lande Tirnanog, liegt die Antwort, dort, wo der Göttliche Harfner seine Lieder über das Weltenende spinnt.« Titania lächelte zu ihr herunter. »So heißt es in den alten Legenden.«
    Tania starrte sie einen Augenblick gebannt an. »Dann muss ich vielleicht dort suchen«, murmelte sie. »Wenn Edric mit mir kommt.«
    »Also, ehrlich gesagt, reicht es mir erst mal, dass ich in die Welt der Sterblichen zurückmuss, um deinen Eltern die Wahrheit zu beichten«, rief Edric vom Turmeingang herüber. »Das ist mir abenteuerlich genug.«
    »Da hast du Recht«, sagte Tania grinsend. Mit einem letzten, zärtlichen Blick zu Titania trat sie in den Bonwyn Tyr. »Wir sind bald wieder da.«
    »Ich erwarte euch!«, rief ihre Elfenmutter zurück.
    Hand in Hand stiegen Tania und Edric die Wendeltreppe zum oberen Stockwerk des Wachturms hinauf. Dann standen sie mitten auf dem Holzboden, von Sternenlicht über-flutet, und lauschten auf das Rascheln der Espenblätter.
    Tania sah Edric an. »Bist du bereit?«
    Edric nickte. Dann machte Tania den Seitwärtsschritt und schon standen sie in ihrem dunklen Schlafzimmer in London. Tania ließ Edrics Hand los, ging zur Tür und knipste das Licht an. Auf den ersten Blick sah alles erstaunlich normal aus. Dort stand der neue Computer, und dort war ihre Pinnwand, die Poste r – alle ihre vertrauten Besitztümer befanden sich am gewohnten Ort. Tanias Bett war zerwühlt, aber die Matratze, auf der ihre drei Schwestern in ihrer ersten Nacht in der Welt der Sterblichen geschlafen hatten, war weggeräumt und das Bettzeug ordentlich zusammengelegt.
    »Dann sind sie auf jeden Fall zurück«, murmelte Tania. Als sie nach der Türklinke griff, sah sie, dass das Schloss kaputt war. Sie riss die Tür auf, und jetzt waren auch die Kratzer und Risse an der Außenseite zu sehen, die von den Schwertern der Grauen Ritter herrührten. Tania holte tief Luft, trat auf den dunklen Treppenabsatz und knipste das Licht an. Sie schlich zum Geländer und spähte in den Flur hinunter. Unten war alles still und dunkel.
    Edric stand in der Tür, als Tania sich umdrehte. »Ich glaube nicht, dass jemand da ist«, sagte sie. »Vielleicht war das Chaos hier so schrecklich, dass sie zu Verwandten oder Freunden gegangen sind, wer weiß.«
    »Kann sein«, erwiderte Edric. »Und was machen wir jetzt?«
    »Wir suchen sie, was sonst?«
    Ein gedämpftes Geräusch ließ Tania herumfahren und sie spähte angestrengt über das Geländer. Unten tappte jemand über den Teppich. Dann ging die Schlafzimmertür ihrer Eltern auf. Ihr Vater stand da, im Morgenmantel, und blinzelte ins Licht. Auf seiner Wange war noch der Abdruck des Kopfkissens zu sehen.
    »Da d – ich bin es.«
    »Anita?«, erwiderte er mit bebender Stimme und starrte sie ungläubig an. »Anita?«
    Tania stürzte zu ihm und warf sich in seine Arme. »Ja, ich bin’ s – ich bin wieder da«, sagte sie. »Bitte, bitte stell mir jetzt keine Fragen. Wo ist Mum?«
    »Ist das Anita?«, rief ihre Mutter aus dem dunklen Schlafzimmer.
    »Ja, ich bin’s!« Tania ließ ihren Vater los, stürzte ins Schlafzimmer und packte die Hand ihrer Mutter. »Du musst sofort aufstehen«, sagte sie. »Ihr müsst euch anziehen, alle beide.«
    Ihre Mutter schnappte nach Luft. »Was in aller Welt war hier los, Anita? Das Haus! Wir dachten, das waren Einbreche r – aber dann haben wir erfahren, dass du gar nicht mit den Andersons in Florida warst. Wir dachten, du bist gekidnappt oder ermordet worden ode r …«
    »Ich bin okay, Mum«, unterbrach Tania ihre Mutter. »Bitte steh jetzt auf, dann erzähle ich dir alles,
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