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Die dunkle Schwester

Die dunkle Schwester

Titel: Die dunkle Schwester
Autoren: Frewin Jones
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Nebelschwaden von den Toten auf, den Rittern wie den Pferden, schlängelten sich zum Himmel hinauf, verwoben sich ineinander, erfüllten die Luft. Und während der lichte Nebel hochstieg, lösten sich die Körper der Gefallenen auf, und die weißen Seidentücher sanken langsam auf die Stelle herab, an der die Toten gelegen hatten.
    Der Glanz jedoch, der von Zara ausging, als sich ihr Körper in reines Licht verwandelte, überstrahlte alles. Es war ein Licht, das in allen Farben des Regenbogens schimmerte. Statt aufzusteigen, schlang es sich um König Oberon, hüllte ihn in einen Mantel aus vielfarbigem Licht ein, der immer schneller um ihn herumwirbelte, bis er als schimmernde Welle von seinem Körper aufgenommen wurde.
    Der König rang nach Luft, sein Rücken krümmte sich, und seine Hand ließ Titanias Schulter los, als das Regenbogenlicht ihn ganz erfüllte. Er warf den Kopf zurück und stieß einen langen Freudenschrei aus. Farbige Pfeile schossen aus seinen Auge n – rot, blau, grün, gelb, orangefarben und violet t – und schmückten die weißen Nebelströme mit blitzenden Juwelen. Und in diesem Feuerwerk aus Saphiren, Smaragden, Rubinen und Topasen sah Tania sekundenlang eine Elfenschar auf edelsteinblitzenden Rössern, angeführt von Zara, die auf einem Einhorn saß. Ganz kurz nur drehte Zara den Kopf, blickte auf sie herunter und lächelte, ehe die Himmelswinde die Vision davontrugen und der weiße Fluss und die farbigen Sterne im Westen verschwanden, gerade als die Sonne unterging.
    Auf den Abend folgte eine warme, sternenklare Nacht, die vom süßen Duft der Nachtkerze und dem nächtlichen Hauch der Bäume und Sträucher erfüllt war. Fackeln loderten überall am Fluss, und das Elfenvolk saß in kleinen Grüppchen auf der Wiese, verzehrte ein einfaches Mahl und unterhielt sich leise im Schatten der hohen Palastmauern.
    Tania saß neben Edric im Kreis ihrer Elfenfamilie. Eden hatte an der Seite von Graf Valentyne Platz genommen und Hopie neben Lord Brython. Tania beobachtete fasziniert die beiden Paare, die so völlig unterschiedlich waren. Hopie und Lord Brython gingen zärtlich und vertraut miteinander um, während Eden und der alte Graf Valentyne sich wie Fremde benahmen und nur hin und wieder ein paar höfliche Worte miteinander wechselten. Vielleicht war es nie wirklich eine Liebesheirat gewesen, sondern eine Ehe, die auf Edens Respekt vor der großen Weisheit des Grafen beruhte.
    Bryn Lightfoot war auch da: Er hatte bereitwillig Cordelias Einladung angenommen, mit der königlichen Familie zu speisen, und die beiden saßen eng beieinander.
    Tania erinnerte sich an die Worte des Königs: Der Tod ist bitte r … aber er ist nicht das Ende aller Dinge , und sie spürte eine tiefe Wahrheit darin. Zara würde nie wieder singen, sie würden nie wieder miteinander musizieren, aber ihre Schwester war nicht gänzlich verlore n – sie lebte weiter, nicht nur in Tanias Erinnerung. Ihre Stimme und ihre Musik waren immer noch zu hören, im sagenhaften Avalon, das gen Sonnenuntergang lag. Es war ein tröstlicher Gedanke, der ihr zwar nicht den Schmerz, aber doch die Bitterkeit nahm.
    Tania blickte zum König hinüber, der wieder ganz gesund neben der Königin saß. Titania und Oberon hielten sich an der Hand und schauten einander tief in die Augen, als ob sie ein stummes Gespräch fortsetzten, eine Wiedervereinigung in Geist und Seele nach fünfhundert Jahren Trennung.
    Rathina saß zwischen Hopie und Sancha und ihr Blick war unsagbar traurig. Es würde wohl lange dauern, bis sich die dunklen Wolken in Rathinas Herz auflösten, aber Tania wollte alles tun, um ihr dabei zu helfen.
    »Woran denkst du?«, fragte Edric. »Du siehst aus, als ob du meilenweit weg wärst.«
    Tania drehte sich um und lächelte ihn an. »Ich war mehr als meilenweit weg«, antwortete sie. »Ich war in der Welt der Sterblichen.«
    Edric sah sie nachdenklich an. »Heißt das etwa, dass du lieber dort wärst?«
    »Ja und nein«, sagte Tania. »Wie lange sind wir jetzt hier? Wie lange ist es her, seit wir London verlassen haben?«
    »Ich habe jedes Zeitgefühl verloren«, antwortete Edric. »Aber es müssen ungefähr zwei Wochen sein.«
    Tania nickte. »Ja, das glaub ich auch. Meine Eltern sind sicher schon aus Cornwall zurück. Wenn ich mir vorstelle, was das für ein Schock für sie gewesen sein mus s – das Haus total verwüstet und wir beide wieder spurlos verschwunden! Diesmal war es garantiert noch schlimmer als beim ersten Mal. Ich hab
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