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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
Autoren: Bianka Minte-König
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Verwandte dieser Nießnutzerin meine Mutter ausfindig gemacht. Falls Interesse bestünde, würde man sich über eine Mandatserteilung für weitere Nachforschungen und gegebenenfalls Geltendmachung von Ansprüchen freuen.
    Ich guckte etwas verwundert, aber meine Mutter wusste nun scheinbar, worum es ging, und es schien sie keineswegs zu erfreuen. Vielmehr war sie leichenblass geworden, während sie das Schreiben nun auch überflog, und ihre Hände zitterten dabei.
    »Wir haben ein Gut in der Mark Brandenburg besessen?«, fragte ich, sofort von dem Gedanken elektrisiert, womöglich eine reiche Erbin zu sein.
    So etwas sollte ja vorkommen und ich meinte, einmal in der Fotoschachtel meiner Mutter ein Bild gesehen zu haben, welches sie und meine Großmutter Lysette vor einem prächtigen Herrenhaus zeigte. Sie mochte zehn oder elf Jahre gewesen sein. Damals war meine Mutter meinen Fragen nach Ort und Zeit der Aufnahme ausgewichen und hatte lediglich vage etwas von einem großen Anwesen im Osten gemurmelt, welches einmal den Vanderborgs gehört habe. Aber niemand habe daran geglaubt, dass es jemals wieder in den Besitz der Familie gelangen würde. So sei die Erinnerung an das Gut in den letzten Jahrzehnten verblasst, ja man habe es praktisch aufgegeben. Das konnte ich allerdings gar nicht verstehen.
    »Der Notar schreibt, dass wir das Gut vielleicht sogar wiederbekommen können!«, sagte ich darum hoffnungsfroh, als ich noch einmal einen Blick auf den Brief warf.
    »Wir haben 1961 alle Brücken dorthin abgebrochen«, meinte meine Mutter jedoch nur, seltsam emotionslos. »Und das war gut so.«
    Ich gab ihr den Brief zurück, aber sie griff nur zögernd danach, so als könnte er sich jeden Moment zwischen ihren Fingern entzünden und in Flammen aufgehen. Sie hielt ihn sichtlich unschlüssig in der Hand, bevor sie ihn dann mit einer müden Geste und einem leisen Kopfschütteln sinken ließ.
    Ihr Anblick erschreckte mich, denn es war eine unheimliche Verwandlung mit ihr vorgegangen. Sie sah plötzlich aus, als hätte eine schwere Krankheit sie gezeichnet: sehr bleich immer noch, so als wäre ihr Blutfluss gestockt, undviel älter, als sie war. Vor allem aber wirkte sie irgendwie merkwürdig apathisch, geradezu erstarrt und beängstigend mutlos. Dabei war sie doch am Morgen noch so positiv und ausgeglichen gewesen.
    Diese Reaktion irritierte mich sehr, weil ich sie nämlich überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Was war so furchtbar daran, ein Gut zu erben?
    »Aber das wäre doch ganz großartig«, rutschte es mir also spontan heraus. »Stell dir mal vor, Mam, ein richtiges Gut! Was man damit alles machen könnte! Pferde züchten, ein Altersheim für betuchte Senioren … Du könntest damit richtig dickes Geld verdienen, könntest auf dem Land leben und müsstest dich nicht mehr von deinem ekelhaften Chef ausbeuten lassen.«
    Meine Mutter hatte für meinen Enthusiasmus lediglich ein schwaches Lächeln übrig. Sie erhob sich unsicher und verließ mit schwankenden Schritten die Küche. Doch noch bevor sie die Tür erreicht hatte, griff sie Halt suchend um sich und brach mit einem entsetzlichen Keuchen zusammen.
    Ich stürzte panisch zu ihr, tätschelte ihre Wange, richtete ihren Oberkörper auf und redete vor Schreck völlig wirr auf sie ein.
    »Mam … was … was ist denn? Mam … kannst du mich hören…? Mach die Augen auf ! Ich bin es Louisa … Mam … bitte …«
    Ich hatte mich zu ihr auf den Boden gehockt und hielt sie nun in meinen Armen.
    »Bitte, Mam«, flehte ich, »komm wieder zu dir … Du … du … darfst doch jetzt nicht sterben!«
    Tausend Gedanken schossen mir gleichzeitig durch den Kopf. Erster-Hilfe-Kurs für die Fahrprüfung … Wiederbelebung… Mund-zu-Mund-Beatmung … Verhalten bei Schockzuständen …
    Womit, verdammt noch mal, hatte ich es denn zu tun? Ich wusste mir keinen Rat, war völlig handlungsunfähig und hätte meine Mutter vermutlich hilflos in meinen Armen sterben lassen, wenn sie nicht von selbst wieder zu sich gekommen wäre. Als ich gerade völlig verzweifelt nach meinem Handy in der Jeans kramte, um den Notruf zu wählen, schlug sie jedoch die Augen auf und sah mich sichtlich verwundert an. Ich half ihr hinüber in ihr Schlafzimmer, wo sie sich einen Moment auf ihrem Bett ausruhte.
    »Was machst du denn für Sachen?«, stammelte ich erleichtert, aber immer noch besorgt. »Kippst einfach um!«
    Sie lächelte leicht und allmählich kehrte die Farbe wieder in ihr Gesicht zurück.
    »Der
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