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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
Autoren: Bianka Minte-König
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Kreislauf«, murmelte sie. »Eine kleine Kreislaufschwäche … Mir steckt wohl die Nachtschicht noch in den Knochen. Es war viel los im Hotel … ständig ging irgendetwas schief … und wer kriegte den ganzen Ärger mal wieder ab?«
    »Du natürlich!«
    Wie ich es hasste, dass sie sich von ihrem Chef so ausnutzen ließ und dann trotzdem immer nur Ärger mit ihm hatte.
    Natürlich fiel mir bei diesem Gedanken sofort wieder das Gut ein. Was wäre das herrlich, wenn sie sich dahin zurückziehen könnte.
    »Dann müsstest du nicht mehr für andere arbeiten und es ginge dir bestimmt besser«, dachte ich laut.
    »Es gibt Schlimmeres als das«, sagte meine Mutter und ich sah förmlich, wie ihre Gedanken abschweiften. Wohin verriet sie mir nicht.Was Gut Blankensee anging, blieb meine Mutter auch weiterhin völlig unzugänglich und ließ kein gutes Haar an meinem Vorschlag, es doch wenigstens einmal anzusehen.
    »Das Gutshaus wird eine Ruine sein, die Ländereien verkommen … Selbst wenn diese Anwälte etwas erreichen würden und man uns das Gut tatsächlich zurückgäbe, was wäre gewonnen? Wir könnten es gar nicht unterhalten, geschweige denn bewirtschaften. Alleine die Grundsteuer würde unsere finanziellen Möglichkeiten übersteigen. Von dem Honorar für die Anwälte will ich gar nicht erst reden, für Gotteslohn werden sie sich kaum darum kümmern. Nein, Louisa, schlag dir den Gedanken aus dem Kopf. Das ist nur ein gutes Geschäft für die Notare. Die versuchen inzwischen auch die letzte Ostruine noch an den Mann zu bringen. Nur um die Provision zu kassieren. Die wirklich guten Immobilien sind doch schon vor Jahren wieder an ihre Eigentümer oder neue Besitzer gegangen.«
    »Und warum hat man uns damals nicht auch schon angeschrieben?«
    Meine Mutter stand auf und ich begleitete sie zurück in die Küche, wo sie sich wieder an den Tisch setzte und dankbar das Glas Wasser leerte, das ich ihr gebracht hatte.
    Ihr Blick klebte erneut wie hypnotisiert an dem Brief, der noch auf dem Küchentisch lag.
    »Hat man ja«, gab sie zu. »Aber ich wollte damit nichts mehr zu tun haben.« Sie sah mich nun sehr ernst und erstaunlich entschlossen an. »Und an dieser Einstellung, Louisa, hat sich nichts geändert. Wir brauchten damals kein Gut und tun es heute noch viel weniger.«
    Aber das sah ich entschieden anders. Auch wenn ein Gut in meiner momentanen Lebensplanung nicht vorgesehen war, so war es doch eine reizvolle Herausforderung.
    Man stelle sich bloß mal vor: ich als Gutsbesitzerin! Das wäre einfach traumhaft! Endlich mal kein Habenichts mehr sein und mir von eingebildeten Fabrikantentöchtern dumm kommen lassen. Ich dachte an Denise, deren Vater mit seiner Chemiefabrik die Umwelt verseuchte und für seine Rohstoffe Dritte-Welt-Länder ausbeutete. Reiche Zicken wie sie hatten mir das Gymnasium gründlich verleidet, und ich hatte drei Kreuze hinter mir geschlagen, als ich sie und solche arroganten Armleuchter wie Torben endlich los war. Der hatte mich im betrunkenen Zustand an meinem sechzehnten Geburtstag abgeknutscht und mich dann am nächsten Tag in der Schule kaltschnäuzig abblitzen lassen, als ich von ihm wissen wollte, ob wir nun zusammen gehen würden. Ich weiß selber nicht mehr, wieso ich den überhaupt gefragt hatte. Nur wegen der Knutscherei auf der Party und weil alle ihn ja »soooo toll« fanden?
    Natürlich ging er dann bald mit Denise! Geld paarte sich ja immer nur mit Geld! Und davon hatten meine Mutter und ich leider so gut wie gar nichts. Mama hatte die Schule abgebrochen, als sie mit meiner Oma aus der DDR in den Westen geflohen war und nicht noch einmal neu anfangen wollte. Ihr fehlte vor allem Englisch als Fremdsprache, weil sie nur Russisch gelernt hatte. Sie machte darum eine Ausbildung als Hotelkauffrau und später noch einen Englischkurs an der Volkshochschule. Nun arbeitete sie schon seit Jahren an der Rezeption eines Hotels in Potsdam. Meistens übernahm sie die Nachtschicht, um sich tagsüber um mich kümmern zu können. Ich hatte ihr damals oft gesagt, dass das viel zu anstrengend für sie sei und sie es meinetwegen nun wirklich nicht mehr machen müsse. Schließlich war ich kein Kind mehr. Ich konnte mir mittags auch mal selber was zu essen machen. Aber sie hatte stets nur gemeint,nun habe sich alles so eingespielt und ihr Chef wolle keine Veränderungen. Basta.
    Weil ihr der Job nicht wirklich viel einbrachte, reichte es zwar für uns beide, aber als Tochter einer Alleinerziehenden konnte
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