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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
Autoren: Bianka Minte-König
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zurück.
    »Finde Friedrich!«, gab ich ihm mit auf den Weg, denn er würde nun auch an die Westfront gehen. »Melde dich sofort, wenn du von ihm hörst.«
    Er versprach es und stieg auf sein Pferd. Da weinten Amanda und ich bittere Tränen, weil wir ihn beide so schmerzlich liebten.

    I ch fühlte mich auf dem Gut nicht mehr sicher.
    Gegenüber Amadeus hatte ich es nicht zeigen wollen, aber seine Worte hatten mich doch sehr geängstigt. Irgendwo trieb sich Utz herum, und wenn er noch nicht einmal Skrupel hatte, zum Feind überzulaufen, dann verfolgte er gewiss in den Karpaten ein finsteres Ziel, das eigentlich, so wie die Dinge lagen, nur Rache an mir heißen konnte.
    Deshalb war ich nach Monaten der Angst froh, als Gertrud im Spätherbst anfragte, ob sie mit Hansmann und den Kindern nicht zu mir auf das Gut ziehen könne.
    Die Flottenblockade im Ärmelkanal hatte schon bald nach Kriegsausbruch das Reich praktisch von seinen Kolonien abgeschnitten, wogegen auch ein gnadenloserU-Boot-Krieg nichts ausrichten konnte. Im Gegenteil, als im Herbst des Jahre 1915 der große Passagierdampfer Lusitania vor der irischen Küste von einem deutschen U-Boot versenkt wurde und über tausend Menschen ertranken, darunter Hunderte von amerikanischen Staatsbürgern, wurde diese nur noch undurchdringlicher.
    Das alles führte dazu, dass Hansmann erst seinen Kolonialwarenladen aufgeben musste und dann die Handels- und Kolonialbank von Utz den Bankrott erklärte. Hansmann musste mit Gertruds Mitgift die Gläubiger der Bank auszahlen, und was danach übrig blieb, reichte nicht, um die luxuriöse Wohnung über dem Laden für seine stetig wachsende Familie zu erhalten.
    Zudem verschlechterte sich die Lage der Großstadt Berlin zunehmend, und um wenigstens die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln zu gewährleisten, wurden ab 1915 Brotkarten an die Bevölkerung ausgegeben. Dennoch wurde die Situation zum Winter hin noch dramatischer, was mir nicht verborgen blieb, weil ich ja hin und wieder selbst in Berlin weilte und die ausgemergelten Menschen in den Arbeitervierteln sah, wo man versuchte, wenigsten die Kinder mit Armenspeisungen zu erhalten.
    So bot ich Gertrud natürlich an, mit Hansmann und ihren Söhnen zu mir nach Blankensee zu ziehen, und ich bat Hansmann das Gut zu bewirtschaften, da es sonst verkommen würde, weil mir allein die Arbeit über den Kopf wuchs. Da es so nicht wie ein Almosen wirkte, Berlin mit seinen an jeder Straßenecke bettelnden Kriegsversehrten für die Kinder ohnehin kein angenehmes Wohnumfeld mehr war und Hansmann dringend eine Beschäftigung brauchte, war es schnell abgemacht.
    Er war schon immer ein Mann des Praktischengewesen und hatte Arbeit nie gescheut, und auch seine Gertrud, die zwar auf Batist gebettet aufgewachsen war, scheute den Umgang mit Leinen nicht und packte in der Hauswirtschaft tatkräftig an, was mich sehr entlasten und zum Gedeihen des Gutes gewiss beitragen würde.
    Die drei Buben im Alter von dreizehn, zwölf und fünf Jahren würden Leben ins Haus bringen und waren sicherlich auch gut für Amanda, die ihre Kindheit bisher allzu eigenbrötlerisch und in sich versponnen verbracht hatte. Auch konnten wir nun für alle Kinder einen Privatlehrer engagieren, der ins Haus kam, denn allmählich reichte mein Privatunterricht nicht mehr für ihren Wissensdurst, und auf Dauer hätte ich sie, wegen der allgemeinen Schulpflicht, von der Dorfschule nicht fernhalten können, in die sie aber absolut nicht gehen wollte. Käthe fand einen klugen Doktoranden, der auf dem Blankensee für seine Doktorarbeit Gänse beobachtete und der für ein relativ geringes Salär bereit war, den Kindern Unterricht zu erteilen. Er hieß Lorenz und kam aus Bayern und versteckte sich hier wohl vor der Einberufung.
    Ende November rollten die Umzugswagen in Blankensee vor und die drei Jungen sprangen fröhlich vom Bock. Alles war mit Pferdefuhrwerken bewerkstelligt worden, denn jeder motorisierte Lastwagen wurde benötigt, um immer wieder neue Soldaten in den Feuerofen der Front zu schaffen. Ich durfte gar nicht daran denken und war nur froh, dass ich inzwischen wenigstens von Friedrich Nachricht bekommen hatte. Er saß recht gut geschützt auf einer Feste in Verdun, gegen welche der Franzose vergebens anrannte.
    Wir harren hier fest und treu aus wie die Wacht am Rhein, bis der Krieg zu Ende ist , schrieb er durch die Feldpost. Unddas wird schon bald sein. Ich umarme dich, liebste Schwester. Dein Friedrich.
    Wie sehr er sich doch
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