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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee
Autoren: James Barclay
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von ihnen gibt, kann nichts und niemand sie aufhalten.«
    »Aber sie sind auch ohne Liebe und Ehre. Ohne Antrieb und Glauben. Ohne einen Grund, im Dienst für ihren König zu sterben. Ohne Loyalität ist eine Armee überhaupt nichts.«
    Gorian kicherte. »Ihr lasst Euch von alten Werten verwirren, mein König. Nichts ist schöner als eine zweite Gelegenheit. Nichts ist schrecklicher als die Angst, diese Gelegenheit zu versäumen. Wir haben diese Macht über jeden Einzelnen dieser Toten. Es gibt nichts, was sie nicht für uns tun würden. Ist das nicht wahre Loyalität?«
    Khuran schauderte. Draußen war ein warmer Tag, im Herzen seiner Burg hielt sich jedoch die Kälte. Er unterdrückte seinen Widerwillen und betrachtete die Toten. Das Gefühl, dies sei ein Verbrechen wider die Natur, ließ sich nicht verbannen, und seine Abscheu wuchs noch, wenn er sah, wie entzückt Gorian über sein Werk war.
    Die Toten waren verwirrt. Ein Dutzend von ihnen standen oder liefen in der Grabkammer umher und sahen sich um. Sie konnten denken und verstehen, befanden sich aber unter einem Bann, der ihnen Schweigen gebot. Sie waren verwirrt. Ein paar kleine Kinder, die am Vortag an den Pocken gestorben waren. Ein Mann, dessen Herz versagt hatte. Der Kopf eines anderen, der wegen Viehdiebstahl gehängt worden war, hing auf der Brust, und die Letzte war eine Frau, die im Wochenbett gestorben war.
    Ihre letzten Gedanken waren verzweifelt, gepeinigt und voller Angst gewesen. Nun waren sie zu einem neuen Leben erwacht, und Khuran fragte sich, ob sie dies für das Leben nach dem Tode hielten. Denn genau das war es, wenngleich nicht das Nachleben, das in den Schriften irgendeiner Religion geschildert worden war. In diesem Tod lag kein Ruhm und ganz gewiss kein Frieden. Belebt von Gorian, erhalten dank ihrer Gemeinschaft und der grollenden Kraft der Erde unter ihren Füßen. Ein Kreislauf, so hatte Gorian es genannt. Khuran verstand es nicht, aber es spielte keine große Rolle. Der Beweis stand vor ihm. Menschen mit trüben Augen, die noch die Kleidung trugen, in der sie gestorben waren.
    Khuran schob die Idee fort, es sei nur ein Trick, denn er hatte sie alle leblos am Boden liegen sehen und nach einem Puls oder der Wärme des Bluts unter der Haut getastet. Sie waren alle tot gewesen, und jetzt atmeten sie wieder.
    Im nächsten Augenblick sanken sie zu Boden und rührten sich nicht mehr. Khuran wandte sich an Gorian, der Aufgestiegene runzelte die Stirn.
    »Was ist geschehen?«, fragte Khuran, von einer Furcht befreit, die er nicht hatte zeigen wollen.
    »Es ist eine neue Fähigkeit«, erklärte Gorian. »Nur selten erprobt und noch nie an so vielen zugleich. Aber es funktioniert, und ich weiß, wie ich es verbessern kann. Um sie in eine überwältigende Macht zu verwandeln, brauche ich allerdings Hilfe.«
    »Hilfe? Woher soll die kommen?«
    Gorian lächelte. »Bereitet Ihr nur Euer Land auf den Krieg vor, stellt Eure Truppen an den vorbestimmten Plätzen auf, und überlasst es mir. Ich werde wieder hier sein, bevor Ihr überhaupt bemerkt habt, dass ich fort war.«
    Khuran betrachtete Gorian. Der Bursche war erst Mitte zwanzig, aber schon so befehlsgewohnt und selbstbewusst. Die Augen strahlten in einem Gesicht, das viele Frauen bei Hofe anbeteten. Das Gesicht eines großen Helden der Konkordanz, eingerahmt von prächtigem blondem Lockenhaar. Er war groß, kräftig und trug eine der Togen, die er sich eigens hatte weben lassen, obwohl Khuran sie lächerlich gefunden hatte. Gorian liebte Spielchen, und dies war ein besonders albernes. Die meisten Menschen wagten nicht, Gorian Westfallen zu widersprechen, wenn er etwas wünschte. Aber Khuran war nicht jedermann.
    »Oh nein, Gorian. Du wirst dich nicht davonstehlen. Ich werde mein Volk anführen, und du wirst mir folgen.«
    »Wie Ihr wünscht, mein König.«

 
2

    859. Zyklus Gottes,
    20. Tag des Dusasab
     
    D ie Energiestruktur war krank. Graue Flecken strömten durch die Adern und schädigten die inneren Organe. Ossacer empfand die starke Infektion wie eine Hitzewelle, die ihm ins Gesicht schlug. Der Junge, den er behandelte, lag im Fieberwahn und war fast ohnmächtig. Sein Körper war in Schweiß gebadet, obwohl ein kalter Wind um das kleine Haus wehte. Ossacer schob die Hände auf den Bauch des Jungen und zuckte zusammen, als sich vor seinem geistigen Auge ein genaues Abbild der Energiebahnen entfaltete. Die Leber und die Nieren waren überlastet und standen kurz davor zu versagen. Der
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