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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee
Autoren: James Barclay
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dafür gefunden, dass jemand diese Kraft hier erprobte. Die schlimmsten Ängste der Karku wurden wahr.
    Icengas schlaffen Körper auf den Armen tragend, stand Harban auf. Nun sollte der Alte den Frieden finden, den er verdient hatte. Zielstrebig stieg er den Hang hinauf bis zum Durchgang unter den Bergen. Über ihm ertönte das dumpfe Grollen einer Lawine. Er hielt inne und starrte zu den Gipfeln hinauf, deren weiße Kappen hinter dichten Wolken verborgen blieben. Ein weiteres Vorzeichen, das Icengas Worte nach dessen Tod noch einmal bekräftigte?
    »Vielleicht kommen wir schon zu spät«, sagte er und ging weiter.
    Es gab so viel zu tun. Icenga musste in den Felshöhlen des Dorfs Yllin-Qyist, in dem er sein ganzes Leben verbracht hatte, begraben werden. Weit unten, wo niemand ihn wiedererwecken konnte. Harban musste auch mit den Hütern von Inthen-Gor sprechen, dem Herz des Berges. Sie mussten erfahren, was er gesehen hatte, und entscheiden, ob sich die Prophezeiung tatsächlich erfüllte. Wenn dem so war, dann musste Harban sich auf die Reise begeben und die Einzigen aufsuchen, die sie retten konnten.
     
    Tief im Innern des Berges wurden bereits die Prophezeiungen und Schriften der Alten genau geprüft. Am heiligsten Ort von Kark, wo das Ewige Wasser ans Ufer der Insel schwappte, auf der sich der Herzensschrein befand, wo die Priester und Hüter unermüdlich wachten, hatte es einen Diebstahl gegeben. Die Wahrheit war gestohlen worden. Darauf würde gewiss die Katastrophe folgen. Er lebte, und Er würde sie heimsuchen.
     
    König Thomal Yuran von Atreska nahm das Pergament entgegen, öffnete es jedoch nicht, weil er ohnehin schon wusste, dass es sein Schicksal als Herrscher des Landes besiegeln würde. Vor ihm standen ein Mann und eine Frau in respektvoller Entfernung. Flankiert wurden sie von Wächtern, auf deren polierten Rüstungen sich das Kaminfeuer des Thronsaales spiegelte. Ihre Gesichter blieben ausdruckslos. In allen Gängen der Burg waren weitere Wächter unterwegs, und viele Tausende besetzten unter dem Wappen der Del Aglios jeden Winkel seines Landes. Die Übernahme war so gut wie reibungslos verlaufen.
    »Ist es das, was ich vermute?«, fragte er.
    Der Thron war nun ein ungemütlicher Platz, und der schon vor langer Zeit seines konkordantischen Schmucks beraubte Saal wirkte öd und leer. Draußen vor dem alten Stein wütete ein Dusassturm und heulte um die Türme und durch die Bogengänge. Er hatte gehofft, es würde nicht auf diese Weise enden. Beim Herrn des Himmels und der Sterne, wenn er die Frau, die jetzt vor ihm stand, im Traum gesehen hatte, dann hatten ihn Licht und Liebe erfüllt.
    Nicht so, nicht dieser elende Untergang. Sie würden nie verstehen, dass er im Grunde keine Wahl gehabt hatte. Jede andere Entscheidung, die er während dieser schicksalhaften Tage getroffen hätte, wäre für die gewöhnlichen Atreskaner verhängnisvoll gewesen. Für sein Volk. Für die Menschen, die seinen Namen gesungen hatten und jetzt seine Absetzung forderten.
    »Ich erfülle meine Aufgabe als Dienerin der Konkordanz«, erwiderte sie leise.
    Große Kraft schlummerte in ihr, das hatte er schon vor zehn Jahren erkannt.
    »Es ist nicht das Schicksal, das ich mir für dich vorgestellt hatte, Megan«, erwiderte Yuran.
    »Das war, bevor du dich von der Konkordanz losgesagt hast«, entgegnete sie.
    »Und dann hast du dich von mir abgewandt.«
    Es gelang Yuran nicht, die Schärfe aus seinen Worten zu verbannen. Die Jahre in Estorr hatten Megan Hanev gut getan. Ihre herrische Haltung unterstrich nur noch ihre Schönheit. Sie war elegant, trug eine Toga und eine Stola von feinster tundarranischer Machart, dazu einen goldenen Reif mit einem Blattmotiv auf dem Kopf. Ihr langes schwarzes Haar war makellos gebürstet. Die tiefen braunen Augen bargen noch viel von ihrer jugendlichen Energie.
    Sie blickte nach rechts, ihr Begleiter nickte, dann trat sie vor. Yurans gespielte Tapferkeit schwand dahin. Megan streckte eine Hand aus und berührte sein Gesicht.
    »Hast du die Welt außerhalb dieser Burg gesehen? Die Tsardonier haben sie vergewaltigt, nichts ist mehr übrig. Du musst gewusst haben, dass sie alles nehmen würden, wie es ihnen beliebte.« Sie seufzte. »Was ist nur geschehen, Thomal? Warum hast du das getan?«
    »Ich konnte doch nicht untätig zusehen, wie mein Volk abgeschlachtet wurde.«
    »Stattdessen ist es zu Tausenden an Eurer Grenze zu Neratharn und Gestern gefallen«, knurrte Megans Begleiter. »All das
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