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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee
Autoren: James Barclay
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und schickte die Energien durch dessen Adern und Organe. Es war ein Bild der Gesundheit, eine reine Konstruktion, die nun die Infektion überlagerte. Flackernd hellten sich die grauen Stellen auf und verschwanden schließlich ganz. Ossacer hielt den Strom der Gesundheit aufrecht, bis keine Spur der Krankheit mehr vorhanden war. Erst dann entspannte er sich, löste sich von den Energien und ließ die Geräusche des Tages wieder auf sich einströmen.
    Endlich hockte er sich hin und atmete schwer aus. Nach der Anstrengung schüttelte er den Kopf und wischte sich mit der Hand die Stirn ab. Der Junge lag ruhig im Bett, sein Fieber war gefallen, und er schlief. Lächelnd wandte Ossacer sich wieder an die Mutter. Sie stand noch in der Tür, eine Hand an den Rahmen gestützt. In der Kammer waren die Laterne und die Kerzen erloschen, und in der Küche rauchten und glühten die letzten Reste des Feuers. Draußen hatte der Olivenbaum trotz der Kälte des Dusasab ausgeschlagen.
    »Lass ihn schlafen«, sagte Ossacer. »Und koche all dein Wasser ab, bis wir den Zufluss gereinigt haben.«
    Sie nickte stumm und kam ihm nicht nahe, obwohl sie zu ihrem Sohn eilen wollte. Ossacer stand auf.
    »Ich verstehe deine Ängste. Ich sehe es jeden Tag. Aber du musst vergessen, was man dir gesagt hat. Dies ist, was der Aufstieg dir und der ganzen Konkordanz bieten kann. Wir sind nicht gegen Gott, sondern wir handeln im Einklang mit Gott und verrichten seine Werke. Wir wollen nur helfen, und ich wurde geboren, um zu heilen.«
    »Danke«, quetschte sie heraus. Offenbar war sie von verwirrenden Gefühlen erschüttert. »Es ist nur …«
    »Schon gut«, unterbrach Ossacer sie. »Ich bitte dich nur darum, über das nachzudenken, was du heute gesehen hast. Was wirst du deinem Sohn und deinen Freunden sagen? Dass dein Sohn von einem bösen Mann geheilt wurde, der ausgelöscht werden muss, oder dass er dank Gottes Willen die Hoffnung hat, das Leben zu führen, das er verdient hat? Denk nach. Wir bitten nicht um Dank, wir wollen nur akzeptiert werden.«
    Damit verneigte er sich und schritt an ihr vorbei zum Eingang. Harkov, der General der Garde des Aufstiegs, fing ihn draußen ab. Eine tröstliche Gestalt voll starker Lebenslinien, die ihn als befehlsgewohnten Mann auswiesen. Harkov war ein ehemaliger Palastwächter, den Paul Jhered sehr achtete, und daher genau der richtige Anführer für die Garde des Aufstiegs.
    »Es gibt Ärger am Brunnen«, sagte er.
    »Ist es schlimm?«, fragte Ossacer und legte eine Hand auf Harkovs Arm. Jetzt konnte er sich entspannen, und sofort verblasste die Welt vor ihm. Harkov führte ihn in den kalten Tag hinaus.
    »Ziemlich übel. Es ist Koroyan.«
    Ossacer seufzte mutlos, auf einmal war er sehr müde. »Wird diese Frau uns denn ewig hetzen?«
    »Solange sie keinen hässlichen Unfall erleidet«, stimmte Harkov zu.
    »Das ist doch nicht Euer Ernst«, antwortete Ossacer.
    »Nicht immer.«
    »Wo ist Arducius?«
    »Dreimal dürft Ihr raten«, sagte Harkov.
    »Dann sollten wir uns beeilen«, drängte Ossacer.
    Sechs weitere Gardisten des Aufstiegs gesellten sich zu den beiden Männern, alle bewaffnet mit Gladius und Schild und einem über den Rücken geschlungenen Bogen. Ihre roten Uniformen mit der Sonnenkrone über dem Baum in zwei geöffneten Händen waren inzwischen in der ganzen Konkordanz bekannt und anerkannt. Die aus ehemaligen Leviumkriegern und Palastwächtern rekrutierte Garde verschaffte sich rasch Respekt. Zugleich machte sie sich mächtige Feinde.
    Der kurze Weg zum Brunnen führte durch Elendsviertel, die nach Tod stanken. Die Straßen waren schmal, die Menschen voller Angst. Auf dem schmutzigen Pflaster lag Unrat, es stank nach Abwässern. Ossacer war ein wenig besorgt. So weit vom Herzen der Konkordanz entfernt waren noch nicht alle Fortschritte, die sie bieten konnte, zu den Ärmsten vorgedrungen. So würde es wohl auch noch lange bleiben.
    Die Aufregung lief in Wellen durch alle Menschen, die schlummernde Kräfte in sich trugen. Nach einigen Schritten konnte er es auch hören. Der Wind trug einen lauten, scharfen Wortwechsel herüber.
    »Am Brunnen sind sehr viele Leute«, sagte Ossacer. »Ich erkenne die Störungen in den Energiefeldern. Sie sind aufgebracht und erregt.«
    »Weicht nicht von meiner Seite«, ermahnte Harkov ihn. »Es könnte unangenehm werden.«
    »Falls Koroyan dort ist, dann ist dies längst der Fall«, erwiderte Ossacer.
    Eilig folgten sie einer Abzweigung nach rechts. Der Brunnen lag am
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