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Die duale Metropole

Die duale Metropole

Titel: Die duale Metropole
Autoren: Uwe Anton
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hat der Tod eine ganz andere Dimension gewonnen als für normal sterbliche Menschen. Sie wissen, er ist unausweichlich, wird irgendwann einmal kommen.
    Doch für mich ist das nicht der Fall. Ich bin unsterblich. Ich könnte den Tod auf ewig vermeiden oder auf 20.000 Jahre, wenn man dieses oft zitierte Sinnbild von ES wörtlich nehmen will. Für mich ist das Sterben viel schrecklicher als für alle anderen. 20.000 Jahre eine unvorstellbar lange Zeit. Doch was ist diese Zeitspanne im Vergleich zu den 70 Millionen Jahren, die Inkadye gelebt hat?
     
    20. November 1347 NGZ
      Am Tag zuvor in Hangay
    »Das kommt überhaupt nicht infrage«, sagte Gucky. »Auf keinen Fall. Das kannst du vergessen. Ich lasse es nicht zu! Nur über meine Leiche!«
    Perry Rhodan antwortete nicht. Der Mausbiber kannte ihn so gut, dass er auch ohne Gedankenlesen wusste, was der Terraner dachte. Er warf dem Ilt einen warnenden Blick zu.
    Gucky verstummte abrupt. So ernst es ihm auch war, er wusste genau, wann er den Bogen überspannt hatte.
    Rhodan sah wieder zu den wenigen Holos, die in den Konferenzraum der JULES VERNE wechselnde dreidimensionale Darstellungen einblendeten. Das hyperphysikalische Chaos um sie herum war unbeschreiblich. Zahlreiche Ortungsgeräte waren ausgefallen oder standen kurz davor, unter den unglaublichen Werten durchzuschlagen. Oder sie zeigten nur unsinnige Daten an.
    Überschlagblitze zuckten durch das brodelnde Kontinuum. Über Lichtjahre hinweg riss das Raum-Zeit-Gefüge auf. Gase trieben dahin, formlos, ziellos, abgestoßene Materie aus Zehntausenden von Sonnen, die knapp der Vernichtung entgangen waren, diffuse Miasmen verklungener Explosionen, erstorbener Höllenfeuer und der Wut von hundert Millionen tobender Eingriffe in die Kontinuität des Kosmos.
    Sie leuchteten vor den energiereichen Entladungen, die unablässig entstanden, wenn höherdimensionale Phänomene den Einstein-Raum peinigten, auf den Holos in grellen Falschfarben.
    Deren Pracht konnte aber keine Sekunde lang darüber hinwegtäuschen, dass eben jenes Gefüge aus Raum und Zeit ums Überleben kämpfte.
    Die Realität war freilich anders, als es den Anschein hatte: Obwohl in Hangay nach wie vor dieses Chaos sondergleichen herrschte, beruhigten Raum und Zeit sich allmählich und fanden zu einer gewissen Normalität zurück.
    Die Retroversion war vollzogen. Die Kosmischen Messenger des Moralischen Kodes verrichteten ihre Arbeit und gestalteten die Wirklichkeit. Sie generierten in der Kernzone von Hangay, in der vor Kurzem fast eine Negasphäre entstanden wäre, die unterschiedlichsten, für ihr Universum gültigen Paradigmen. Rhodan bezeichnete sie in ihrer vielschichtigen Komplexität als universelles Schöpfungsprogramm. Sie bestimmten die grundlegenden Konstanten und die Funktionsprinzipien des Universums, die relative Geschwindigkeit von Zeitabläufen, die Lichtgeschwindigkeit, den absoluten Temperaturnullpunkt und alle weiteren Naturgesetze und die Bedingungen, nach denen sich Leben evolutionär entwickeln und verbreiten konnte.
    Was zumindest für das Leben dieses Universums galt, schränkte Rhodan sofort ein, aber sicher keinen Absolutheitsanspruch darstellte.
    Hangay selbst sowie die umliegenden Ressourcen-Galaxien, darunter auch die Milchstraße, waren gerettet. Das Chaos befand sich auf dem Rückzug, die Ordnung auf dem Vormarsch, und schon bald nach kosmischen Maßstäben in einem Atemzug würde nichts mehr an das erinnern, was fast den Untergang der Lokalen Gruppe bedeutet hätte.
    Der Mächtigkeitsballung von ES, jener Superintelligenz, die die Menschheit zu ihrem bevorzugten Volk erkoren, aber selbst nicht aktiv gegen das Wirken der Terminalen Kolonne TRAITOR gehandelt hatte.
    Jedenfalls nicht, soweit es Perry Rhodan wusste oder gutheißen konnte. ES hatte den Nukleus zum Opfer bestimmt, und so war es schließlich auch gekommen.
    Rhodan atmete tief durch, richtete sich auf und löste den Blick von den Holos, die ihm ein Schauspiel offerierten, das wahrscheinlich nie wieder ein Mensch würde beobachten können.
    Die Einkehr der Ordnung ins Chaos.
    Wir sind in Sicherheit, dachte er, auch, um sich angesichts dieses Schauspiels ein wenig selbst zu beruhigen. Bei all den überwältigenden Ereignissen, die sich hier abspielen, kann uns nichts passieren. Wir können in aller Ruhe beobachten, was wir initiiert und verwirklicht haben. Die Rettung der Lokalen Gruppe. Und damit der Menschheit.
    Rhodan zuckte bei diesem Gedanken schmerzlich zusammen.
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