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Die dritte Weissagung

Die dritte Weissagung

Titel: Die dritte Weissagung
Autoren: Vampira VA
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unsere Tochter, die Revolution, gern sehen .
    Doch irgendwann veränderten sich ihr Gesicht und ihr vormals so verführerisch schöner Körper. Irgendwann verwandelte sie sich in eine wilde Furie mit einer verzerrten Dämonenfratze, mit Klauenhänden, von denen das so wahllos geopferte Blut tropfte. Unsere schöne Tochter entpuppte sich vor unser aller Augen als willige Dirne mit klaffend offenem Schoß, für jeden bereit, der nur den Mut oder den Schneid hatte, nach vorn zu treten und sich an ihr zu bedienen ...
    Seit einem Jahr leben wir nun unter der Schreckensherrschaft, die sich aus der Revolution herausgeschält hat. Als vor einem Jahr die Hinrichtungen begannen, war alles noch in Ordnung.
    Was haben wir gejubelt, als der Kopf Ludwig XVI. rollte! Was haben wir bei jedem Adeligen gejubelt, der hiernach seinen Kopf verlor! Krieg den Palästen! Und Friede den Hütten! So sollte es sein!
    Doch dann ... L'appetit vient en mangeant. Der Appetit kommt beim Essen. Und nachdem sich alle daran gewöhnt hatten, daß Köpfe auf den Marktplätzen rollten und Blut in Sturzbächen floß, gab es kein Halten mehr ... Dann begann die Revolution, diese maßlos immer mehr nach Blut dürstende, kannibalische Hure, ihre eigenen Kinder zu fressen .
    Als Robespierre, dieser verfluchte Jakobiner, Hebert hinrichten ließ, wunderte es mich. Als Justizminister Danton seinen Kopf verlor, weil seine Politik in den Augen Robespierres zu gemäßigt erschien!, war ich verwirrt. Und als der Konvent zuletzt Robespierre selbst absetzen und hinrichten ließ, kannte mein Entsetzen keine Grenzen mehr!
    Es ist nämlich so, daß mir nicht nur die Sinnlosigkeit all dieses Mordens schier den Verstand raubt. Dies allein würde schon Schmerz genug bedeuten . Doch es ist noch schlimmer für mich . bei weitem schlimmer .
    Was ich mit all den Hinrichtungen zu schaffen habe, daß sie mich so unendlich härter treffen als jeden anderen denkenden, kritischen Bürger neben mir? Ich werde es Dir verraten .
    Die Erstürmung der Bastille lag nur wenige Monate zurück, als ein Mann, ein Anatomieprofessor der Pariser Universität, am 10. Oktober des Jahres 1789 vor der Nationalversammlung die Gleichheit aller Verurteilten vor dem Tode forderte. Kein Mensch sollte mehr den Qualen der Folter ausgesetzt werden, und jeder, ungeachtet seines Standes, sollte für das gleiche Verbrechen die gleiche Strafe erhalten. Ihm schwebte eine schnellere, schmerzlosere Tötungsart vor. Der Verbrecher sollte enthauptet werden, mittels einer einfachen mechanischen Vorrichtung.
    Zwei Monate später beschrieb er den hörenden Ohren im Parlament diesen Apparat: »Der Mechanismus wirkt wie der Blitz, der Kopf rollt, das Blut sprudelt, der Mensch ist nicht mehr.« Und zwei Jahre später nahmen sich die Herren in der Nationalversammlung seiner Vorschläge an. Am 3. Juni 1791 bestimmten sie, »daß jedem zum Tode Verurteilten der Kopf abzutrennen sei.« Und am 20. März 1792 erließen sie die Verordnung, daß die Enthauptung von nun an mit einer Maschine auszuführen sei, eine Hinrichtung, die »zweckmäßig, für alle gleich und, soweit möglich, human sein soll.«
    Die Konstruktionspläne dieser Maschine hatte jener Anatomieprofessor bereits bei seiner zweiten Rede vor dem Parlament in der Tasche gehabt. Sein Name war Dr. Joseph-Ignace Guillotin.
    Und ich selbst habe in den letzten zwei Jahren unzählige Male den Hebel an dieser Tötungsmaschine betätigt, um das schwere Fallbeil herniedersausen zu lassen auf die Genicke der Verurteilten. Unzählige Male war ich, einer der Scharfrichter von Paris, der Handlanger des Todes, der verlängerte Arm, der die Tötungsmaschine bediente, die nach ihrem Erfinder Guillotine genannt wird ...
    Human sollte der Tod sein, den ich den Delinquenten gebe! Doch niemand, weder die Mitglieder des Parlaments, noch Robespierre oder einer der anderen Bluthunde, noch der alte Dr. Guillotin haben mitansehen müssen, wie sich die Gesichter der Enthaupteten noch einige Zeit lang bewegten, wie die Lippen der Geköpften noch letzte unausgesprochene Worte zuckten oder die abgetrennten Köpfe mit den Zähnen knirschten .
    Ich bin überzeugt davon, in den abgeschlagenen Köpfen befanden sich noch für eine kurze, aber dennoch beachtliche Zeit sowohl Bewußtsein als auch Schmerzempfinden ... also Leben. Stell dir vor: Dein letzter klarer Gedanke vor dem Tod ist die Erkenntnis, daß dein Kopf vom Halse abgetrennt ist und in den bereitgestellten Korb fällt ... Wer möchte das
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