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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende
Autoren: Lawrence Sanders
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fortzusetzen.
    »Hallo, Schätzchen«, sagte die fette Kellnerin. »Das Übliche?«
    Zoe nickte.
    »Soll ich Ihnen was Komisches erzählen?« fragte die Kellnerin, während sie das Besteck vor Zoe hinlegte. »Kaum, daß Sie gestern abend gegangen waren, kommt hier ein Bursche herein und kauft das Teeglas, aus dem Sie getrunken hatten. Behauptete, zu Hause die gleichen Gläser zu haben, aber sein Sohn hätte eins kaputtgemacht, und er wollte das Service wieder komplett haben. Hat einen Dollar dafür bezahlt.«
    »Das Glas, aus dem ich getrunken habe?«
    »Verrückt, was? Wollte nicht mal ein sauberes haben. Hat bloß das dreckige in eine Papierserviette gepackt und ist damit abgehauen. Tja, es gibt wirklich die komischsten Leute…«
    »War er groß und dünn?« fragte Zoe Kohler. »Mit einer verbitterten Miene?«
    »Nee. Groß war er schon, aber ziemlich kräftig gebaut. Mitte sechzig vielleicht. Warum? Kennen Sie ihn?«
    »Nein«, sagte Zoe teilnahmslos. »Ich kenne ihn nicht.«
    Sie dachte immer noch klar genug, um zu begreifen, was geschehen war. Sie hatten jetzt ihre Fingerabdrücke. Sie würden sie mit denen auf dem Weinglas vergleichen, das sie im Tribunal vergessen hatte. Sie waren sich ihrer Sache jetzt sicher. Sie würden jetzt kommen, um sie zu töten.
    Sie rührte ihr Essen nicht an. Statt dessen stolperte sie nach Hause. Die Schmerzen in ihrem Unterleib hatten eine schrille Intensität angenommen.
    Sie fragte sich, ob ihre Periode begonnen hatte. Sie wagte nicht, sich umzublicken; vielleicht ließ sie eine Spur zurück. Und dieser Spur folgend, erschien der dünne, strenge Mann, schnüffelnd, mit gesenkter Nase. Ein echter Bluthund.
    Zu Hause verriegelte sie die Tür und legte die Kette vor. Müde blickte sie sich in ihrer sauberen Wohnung um. Sie war immer schon sehr reinlich gewesen. Ihre Mutter hatte ihr nie auftragen müssen, ihr Zimmer aufzuräumen.
    »Ein Platz für alles und alles an seinem Platz«, hatte ihre Mutter immer stolz gesagt.
    Sie streifte die Schuhe von ihren geschrumpften Füßen. Aufrecht saß sie auf einem Holzstuhl im Wohnzimmer, die Hände im Schoß gefaltet. Sie sah zu, wie die Dämmerung, der Abend, schließlich die Nacht in den stillen Raum sickerten.
    Vielleicht verlor sie das Bewußtsein, nickte ein, träumte: es war schwer zu unterscheiden, unmöglich zu wissen. Sie sah eine menschenverlassene Landschaft. Nichts als dunkle, graue Rauchwolken.
    Dann, als der Rauch sich zu Nebel, zu Dunst verdünnte, sah sie ausgedörrte, von Rissen durchzogene Erde. Ein Puzzle aus gebackenem Schlamm. Dampf stieg aus kleinen Kratern und verkrusteten Löchern. Eine unfruchtbare, öde Welt. Weit und breit regte sich kein Leben. Wie lange sie so saß, ihr Verstand gebannt von dieser nackten Vision, hätte sie nicht sagen können. Doch als das Telefon klingelte, erhob sie sich, wieder bei klarem Verstand, schaltete das Licht an und hob den Hörer ans Ohr. Der Portier fragte, ob Mr. Mittle heraufkommen dürfe.
    Sie begrüßte Ernie mit einem Lächeln, das fast so glücklich war wie seins. Sie küßten sich, und er sagte, sie sei schrecklich dünn geworden, er müsse sie wohl ein wenig aufpäppeln. Sie berührte ihn liebevoll an der Wange, so gerührt war sie von seiner Besorgnis.
    Der Weißwein, den er mitgebracht hatte, war bereits kalt. Sie holte einen Korkenzieher und Gläser aus der Küche. Sie setzten sich zueinander auf die Couch. Sie prosteten sich zu und blickten sich dabei in die Augen.
    »Wie geht es dir, Darling?« fragte er besorgt.
    »Besser, seit du hier bist«, sagte sie.
    Er seufzte vor Freude und küßte ihre welken Finger.
    Er erzählte von seiner Computerstunde, seinem Job, ihren Urlaubsplänen. Sie lächelte und nickte, nickte und lächelte, ließ den Blick nicht von seinem Gesicht. Und die ganze Zeit…
    »So«, sagte er plötzlich und schlug sich aufs Knie, als wären sie in einem wichtigen Geschäftsgespräch zum Moment der Entscheidung gekommen, »hast du darüber nachgedacht, Zoe? Willst du mich heiraten?«
    »Ernie, bist du sicher…?«
    Er stand auf und begann in dem schwach beleuchteten Raum auf und ab zu gehen, das Weinglas in der Hand.
    »Natürlich bin ich sicher«, sagte er fest. »Zoe, ich weiß, dies ist die wichtigste Entscheidung meines Lebens, und ich habe sie sehr sorgfältig abgewogen. Ja, ich bin sicher. Ich möchte mein Leben mit dir verbringen. Ich weiß, daß ich dir nicht allzuviel zu bieten habe, abgesehen von… Liebe. Und das Versprechen, daß ich mir
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