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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende
Autoren: Lawrence Sanders
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die Vitamine A, C, E und B12 herunter, darüber hinaus Eisen- und Zinktabletten, ihre Anti-Baby-Pille, eine Kapsel gegen ihre Menstruationsbeschwerden, eine Tablette für ihre Galle; eine Lezithinkapsel und eine, die reich an Seetang sein sollte; schließlich eine Tablette gegen zuviel Magensäure, die sie eigentlich im Mund zergehen lassen sollte, statt dessen aber kaute und herunterschluckte.
    Dann aß sie eine Scheibe Weizentoast und trank dazu ihre erste Tasse schwarzen, koffeinfreien Kaffee. Sie gab einen Eiswürfel in die Tasse, um ihn rasch abzukühlen, damit sie ihn hinuntergießen konnte. Zu ihrer zweiten Tasse Kaffee, ebenfalls mit einem Eiswürfel darin, rauchte sie eine Filterzigarette, die laut Werbung den geringsten Teergehalt aller Zigaretten auf der ganzen Welt hatte.
    Sie ließ Wasser über das Frühstücksgeschirr laufen und stellte es dann in die Spüle, um es am Abend abzuwaschen. Die Küche war ein Durchgangsraum, und jetzt ging Zoe ins Wohnzimmer, wobei sie sich etwas schneller und zielbewußter bewegte.
    Sie holte einen Mantel aus dem Dielenschrank, einen Überzieher aus schwarzer Wolle mit grauem Samtkragen. Sie überprüfte den Inhalt ihrer schwarzledernen Schultertasche: Schlüssel, Brieftasche, verschiedene Utensilien, eine kleine Dose Mace, das in New York zwar eigentlich nicht erlaubt war, das Everett Pinckney ihr aber beschafft hatte, und ihr Schweizer Armeetaschenmesser, ein Instrument mit rotem Griff, zwei Klingen, einer Feile, einer Ahle, einer winzigen Schere und einem Flaschenöffner.
    Sie spähte durch den Spion in der Wohnungstür. Der Korridor draußen schien leer zu sein. Sie entriegelte die Tür, nahm die Kette ab, drehte den Schlüssel im Schloß und zog die Tür vorsichtig auf. Der Flur war leer. Sie schloß die Tür, ging zum Fahrstuhl, drückte den Knopf und wartete unruhig.
    Sie fuhr allein ins Foyer hinunter, ging rasch zum Eingang und trat auf den Bürgersteig. Leo, der Portier, war gerade damit beschäftigt, die Messingtafeln der fünf Ärzte und Psychiater, deren Praxen im Erdgeschoß lagen, zu putzen.
    »Guten Morgen, Miss Kohler«, sagte er.
    Sie bedachte ihn mit einem schwachen Lächeln und wandte sich nach Westen, in Richtung Madison Avenue. Sie ging rasch, mit ruckartigen Schritten, und blickte weder links noch rechts. Auf diese Weise vermied sie es, den Augen der anderen Passanten zu begegnen, von denen ihr allerdings keiner einen zweiten Blick schenkte. Eigentlich — das wußte sie — nicht einmal einen ersten.
    Das Hotel Granger, ein hochkant gestellter Sarg, stand eingeklemmt zwischen zwei Wolkenkratzer aus Stahl und Glas an der Madison Avenue. Der Eingang, flankiert von fleckigen Marmorsäulen, wirkte mehr wie das Portal eines Altherrenclubs, wo die Mitglieder hinter dem Wall Street Journal dösten und livrierte Diener den Sherry auf silbernen Präsentiertellern servierten.
    Die Realität unterschied sich auch nicht sehr von diesem Bild. Das Granger stammte aus dem Jahr 1912, und obwohl es gelegentlich renoviert worden war, hatte man nichts modernisiert. In der dämmerigen Cocktail-Lounge mußte man immer noch klingeln, wenn man bedient werden wollte, Plastik und Chrom waren verpönt, und über dem ganzen Erdgeschoß — Foyer, Empfang, Lounge, Speisesaal und den Büros der Geschäftsleitung — lag der düstere, säuerliche Geruch alter Teppiche, muffiger Polster und zu vieler kalter Zigaretten.
    Trotz alledem war das Granger ein gesundes Unternehmen. Die meisten der 283 Zimmer und Suiten waren ganzjährig an ortsansässige Firmen vermietet, für deren leitende Angestellte, wenn sie in der Stadt übernachten mußten, oder für auswärtige Geschäftsbesucher. Die Unterkünfte, die noch für Durchreisende zur Verfügung standen, wurden häufig schon ein Jahr im voraus reserviert, denn die Zimmer waren groß und bequem, die Bedienung freundlich, die Preise gemäßigt, und vom Speisesaal hieß es, er besitze den drittbesten Weinkeller in ganz New York. Darüber hinaus hatte das Granger das letzte Hotel-Billardzimmer der Stadt, wenn es sich auch nur um einen einzigen Tisch handelte, dessen grüne Bespannung ausgebleicht und schadhaft war.
    In seiner beinahe siebzigjährigen Geschichte hatte das Granger, wie alle Hotels, Tragödien und Gewalt erlebt. Herzattacken. Schlaganfälle. Zwei Morde. Acht Selbstmorde, drei davon durch Sprünge aus den oberen Stockwerken.
    1932 war ein Gast im Speisesaal an einer Fischgräte erstickt.
    1949 hatten zwei Gentlemen, die eine
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