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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene
Autoren: Ulrich Hefner
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Statur eines Ringers stieg aus dem Wagen und kam auf den LKW zu. Die braune Uniform und der goldene Stern über der Brust wiesen ihn als Hüter des Gesetzes aus.
    Gene wartete geduldig, bis der Sheriff den LKW umrundet hatte.
    »Wohl noch ein bisschen müde heute Morgen?«, raunte der Sheriff und musterte Gene von oben bis unten.
    »Ich musste dieser Frau ausweichen, dieser Irren, nach der Sie die ganze Zeit gesucht haben«, entgegnete Gene. »Sie stand plötzlich mitten auf der Straße. Ihre Kollegen haben sie mitgenommen und mir versprochen, einen Abschleppdienst zu rufen.«
    »Wir suchen keine Irre, und meine Kollegen fahren bestimmt nicht hier draußen spazieren. Wir haben anderes zu tun.«
    Gene verschlug es einen Moment lang die Sprache, doch auch als er den Rest der Geschichte erzählte, blieb die Miene des Sheriffs starr.
    »Ich denke, ich rufe Ihnen einen Abschleppdienst, der Sie hier herauszieht, außerdem zahlen Sie dreißig Dollar Strafe«, entgegnete der Sheriff. »Und das nächste Mal, mein Junge, schlafen Sie richtig aus, bevor Sie sich hinters Steuer setzen und mir solche Lügenmärchen auftischen.«
    »Aber ich erzähle Ihnen doch keinen Mist«, protestiere Gene Morgan. »Die Frau saß hier im Gras. Sie war barfuß und nur mit einem Morgenmantel bekleidet. Sie müssen mir glauben.«
    »Es sollte mich schwer wundern, wenn sich eine Frau im Morgenrock und noch dazu ohne Schuhe von Albuquerque in diese Gegend verirrt«, erwiderte Sheriff Hamilton.
    »Wieso Albuquerque? Die Kerle sagten Socorro.«
    »Mein Junge, die nächste Irrenanstalt ist in Albuquerque, Hier draußen gibt es im Umkreis von sechs Kilometern nur Steine, Hügel, Bäume und Sand. Ein paar Hütten allenfalls, aber bestimmt keine Irrenanstalt. Also was ist, zahlen Sie die dreißig Dollar, oder soll ich den Richter anrufen?«
    Entmutigt griff Gene nach seiner Brieftasche.

 
     
    Erstes Buch
     
     

     
     
    Visionen
     

Frühling 2004

 

1
Cumaná, Venezuela
    Der Flug in der einmotorigen Piper der Linea Turistica Aerotuy unterhalb der dichten Wolkendecke von Cumaná nach Ciudad Guayana verlief geräuschvoll und unruhig. Brian Saint-Claire schaute aus dem Kabinenfenster auf die ausgedehnten Wälder. Unter ihm lag eine einzige grüne Weite, die sich bis zum Horizont erstreckte.
    Der Pilot, ein braun gebrannter und bärtiger Venezolaner aus Apure, warf hin und wieder einen besorgten Blick auf die tiefschwarzen Regenwolken, die sich im Westen zu einer gigantischen Sturmfront aufgetürmt hatten. Brian hing schweigend seinen Gedanken nach. Er dachte an den heftigen Streit mit Cindy und ihren theatralischen Abgang vor knapp einer Woche. Seither hatte er nichts mehr von ihr gehört. Dieser Trip nach Südamerika war genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen und würde ihn hoffentlich auf andere Gedanken bringen. Er sollte für ein Magazin mit dem geheimnisvollen Namen ESO-Terra eine Reportage über eine Schamanin der Warao-Indianer verfassen, die in einem kleinen Dorf irgendwo im Orinoco-Delta lebte. Den Schilderungen einiger Augenzeugen zufolge hatte die Frau neben der Gabe der Levitation noch weitere bemerkenswerte psychokinetische Fähigkeiten. Doch wie viel Wahrheit hinter den Erzählungen steckte, blieb abzuwarten. Oft genug hatten ihn seine Exkursionen auf den Spuren übernatürlicher Phänomene zu irgendwelchen Spinnern, Fantasten und Hochstaplern geführt, deren einzige außergewöhnliche Fähigkeit es war, gutgläubige Mitmenschen hinters Licht zu führen.
    Für Brian, der an der Universität von Chicago Psychologie und Philosophie studiert und dann eine Ausbildung in Parapsychologie absolviert hatte, war das nichts Neues. Als Parapsychologe wusste er sehr wohl Betrügereien und Zaubertricks von echten metaphysischen Erscheinungen zu unterscheiden, wobei Letztere im Vergleich zu Ersteren äußerst rar waren. Brian war gespannt, was ihn diesmal erwartete. Doch selbst wenn er sich wieder einmal vergeblich auf eine lange Reise begeben hatte, so war es eine willkommene Gelegenheit, sich von dem heftigen Streit mit Cindy zu erholen. Außerdem wurde er für seine Arbeit gut bezahlt.
    Brian Saint-Claire mit seinen welligen dunkelblonden Haaren und der Ausstrahlung eines Hollywoodschauspielers sah man seine vierzig Jahre nicht an.
    Das Leben war für ihn ein einziges unergründliches Abenteuer – und somit waren Gleichförmigkeit, feste Gewohnheiten und eine tiefe Beziehung kaum mit seinem Rhythmus vereinbar. Die Vorstellung, zu heiraten und
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