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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene
Autoren: Ulrich Hefner
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eine Ertrinkende krallte sie sich an ihm fest.
    »Helfen Sie mir! Bitte, gehen Sie nicht!«
    Ihre Worte waren ein einziges Flehen.
    »Ich hole nur eine Decke und mein Handy«, erwiderte Gene. »Ihnen muss kalt sein. Außerdem brauchen wir Hilfe. Der Truck steckt im Sand fest.«
    Noch bevor die Frau antworten konnte, näherte sich ein dunkler Geländewagen und hielt gegenüber am Straßenrand an. Gene Morgan atmete auf. Zwei Männer stiegen aus dem Jeep und rannten über die Straße. Sie trugen dunkle Anzüge und wirkten auf den ersten Blick wie Geschäftsleute, die geradewegs aus ihren hell erleuchteten Büros einer Stadt im Osten kamen. Der Griff der Frau verstärkte sich. Gene musterte die beiden.
    »Es gab einen Unfall«, stammelte er. »Sie stand plötzlich direkt vor mir auf der Straße.«
    Der eine Mann – er hatte dunkles, welliges Haar – nickte kurz und gab seinem Begleiter ein Zeichen, woraufhin der andere nach der Frau griff. Gene schaute ihn ungläubig an. Die Frau zuckte zusammen und krallte die Fingernägel schmerzhaft in seinen Arm. Ihr panischer Blick blieb ihm nicht verborgen.
    »Was soll das?«, protestierte Gene. »Was haben Sie mit ihr vor?«
    Der Dunkelhaarige langte in seine Jackentasche, und einen Augenblick lang dachte Gene, dass sein letztes Stündlein geschlagen habe, doch als die Hand des Mannes wieder auftauchte, brachte er ein Mäppchen mit seiner Dienstmarke zum Vorschein. Gene entspannte sich, als er den Adler im Wappen erkannte, doch bevor er den daneben steckenden Ausweis lesen konnte, wurde das Mäppchen wieder zugeklappt. »Wir sind schon seit Stunden auf der Suche nach ihr«, sagte der Dunkle. »Diesmal hat sie es verdammt weit geschafft. Sie haben uns sehr geholfen, Mister.«
    Gene zog die Stirne kraus. »Was ist mit ihr?«
    Während der andere mit einem kräftigen Ruck die Finger der Frau von Genes Arm löste und sie gegen ihren vergeblichen Widerstand zum Wagen führte, vollführte der Dunkelhaarige eine eindeutige Geste vor seiner Stirn. »Sie ist nicht ganz beieinander. Ausgebüxt aus der Nervenheilanstalt in Socorro. Leidet unter Verfolgungswahn und sieht überall Gespenster.«
    Jetzt entspannte sich Gene ein wenig. Er schüttelte erleichtert den Kopf.
    Bevor der Begleiter des Dunkelhaarigen die Frau in den Jeep bugsieren konnte, wandte sie sich noch einmal um. »Helfen Sie mir!«, rief sie herüber. Dann wurde sie in den Wagen geschoben und verschwand hinter den abgedunkelten Scheiben.
    Trotz des Dienstausweises des Mannes wusste Gene noch immer nicht so recht, wie er sich verhalten sollte, wenngleich Kleidung und Zustand der Frau durchaus darauf schließen ließen, dass sie aus einer Irrenanstalt entlaufen war.
    »Wenn ich mich nicht täusche, liegt Socorro knapp fünf Kilometer von hier entfernt«, sagte er. »Sollten wir nicht den Sheriff holen? Schließlich hat sie einen Unfall verursacht, und ich kriege den Truck allein nicht mehr aus dem Graben. Ich meine, ich habe Ladung an Bord. Was, wenn etwas beschädigt ist?«
    Der Dunkelhaarige schaute hinüber zum LKW. »Der Sheriff ist ebenfalls auf der Suche nach ihr. Wir werden ihn über Funk verständigen und einen Abschleppwagen anfordern. Um den Schaden machen Sie sich keine Sorgen, der Sheriff kennt die Frau. Sie hat nicht zum ersten Mal auszubrechen versucht.«
    Grinsend drehte sich der Dunkelhaarige um und ging hinüber zu seinem Wagen.
    Gene nickte. »Dann warte ich hier solange.«
    »Was bleibt Ihnen anderes übrig?«, sagte der Dunkle lachend. »Aber es kann noch eine halbe Stunde dauern, der Sheriff ist gerade oben bei Bernardo.«
    Nachdem der Mann eingestiegen war, brauste der Jeep in Richtung Magdalena davon. Gene versuchte noch einen Blick auf das Kennzeichen des Wagens zu erhaschen, doch mehr als die Anfangsbuchstaben REI konnte er nicht erkennen. Er ging zurück zu seinem Laster, stieg in das Führerhaus und wartete. Der Dunkelhaarige hatte recht, was konnte er schon anderes tun?
     
    Nachdem er zwei Stunden vergeblich gewartet hatte, griff er zum Handy und wählte die Notrufnummer. Auf seine Frage, wo denn der Sheriff bleibe, reagierte die Telefonistin erstaunt. Sie wisse weder von einem Unfall noch von der Suche nach einer vermissten Frau, aber den Sheriff werde sie benachrichtigen.
    Eine weitere Stunde später tauchte ein blau-weiß lackierter Ford Maverick mit blauen und roten Rundumleuchten auf. Das Wappen des Sheriff-Departments von Socorro prangte an den Türen. Ein zwei Meter großer Hüne von der
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