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Die drei Lichter der kleinen Veronika

Die drei Lichter der kleinen Veronika

Titel: Die drei Lichter der kleinen Veronika
Autoren: Manfred Kyber
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gewesen«, sagte Veronika, »und es gibt auch hinter der Mauer noch eine ganze Menge von Dingen – das ist wieder eine andere Welt.«
    »Das sind Vermutungen«, sagte der Käfer, »man kann sich nur auf das verlassen, was man sicher weiß. Die Baumelfen erzählen freilich davon, daß es hier im Garten eine große Brücke gäbe, die in eine andere Welt führt. Ich habe jedoch eine solche Brücke nicht gesehen. Ich nehme an, daß sie bei der Quelle sein wird, die durch den Garten fließt. Aber ich vermeide das Wasser und lebe überhaupt vorsichtig und zurückgezogen. Es gibt Gefahren und allerlei Käferkummer in dieser Welt.«
    Der Käfer seufzte und strich sich sorgenvoll mit dem Fühler über den Kopf.
    »Ich kann mir das denken«, meinte Veronika voller Teilnahme, denn der Käfer kam ihr trotz seiner etwas großartigen Sprechweise ziemlich hilflos vor, »du denkst, daß dich, zum Beispiel, die Amsel fressen könnte, die mich eben erst angeredet hat?«
    »Ja, an solche schrecklichen Dinge dachte ich dabei«, sagte der Käfer, »aber sprich nicht von der Amsel. Sie ist ein scheußliches Geschöpf. Ich wußte nicht, daß du solche üblen Bekanntschaften hast. Ich glaube kaum, daß ich dir sonst mein Landhaus gezeigt hätte.«
    »Ich kenne die Amsel nur ganz flüchtig«, entschuldigte sich Veronika, »sie hat mich auch bloß geschimpft, weil ich mit Mutzeputz befreundet bin, und jetzt schimpfst du mich, weil ich die Amsel kenne. Was denkt ihr euch eigentlich alle dabei?«
    »Ich sage nichts gegen Mutzeputz«, meinte der Käfer, »aber die Amsel ist eine ganz gefährliche Person. Frage nur einmal die Regenwürmer danach, sie sind ganz der gleichen Meinung, und das sind doch gewiß Leute, die Erfahrung haben.«
    »Regenwürmer gibt es hier auch?« fragte Veronika und sah sich um. »Regenwürmer sind mir ein bißchen eklig, sie sind so lang und nackt. Ich glaube, sie haben überhaupt gar nichts an.«
    »Es sind angenehme und stille Nachbarn«, sagte der Käfer, »ich wollte, es wären alle so. Leider ist das nicht der Fall. Man sollte es nicht glauben, man hat kaum in seinem eigenen Landhaus die nötige Ruhe. Über die Geister, die das Wachsen der Pflanzen besorgen, will ich nichts Abfälliges äußern. Sie sind zwar sehr unruhig und stets in geschäftiger Tätigkeit – übertrieben meiner Ansicht nach –-, aber man muß anerkennen, daß sie lautlos und mit vieler Rücksicht auf die anderen arbeiten. Nur einmal ist mir eine Wurzel gerade durch meinen Vorraum gewachsen, und wir haben uns schließlich dahin geeinigt, daß sie sich ein bißchen erweiterte und ich sie als Hängematte benutzte. Wenn man aber tiefer in die Erde hinabschaut, kann man sich wirklich sehr ärgern. Ich vertrage Ärger gar nicht, ich bekomme gleich Kopfschmerzen davon. Da unten sitzen die eigentlichen Ruhestörer. Es sind schwarze und weiße Männchen, so ähnlich gestaltet wie du, nur sehr viel häßlicher. Du glaubst nicht, wie diese Männchen sich zanken, ich höre es des Nachts oft bis in mein Schlafzimmer hinauf. Es ist eine abscheuliche Gesellschaft, du solltest das bloß einmal sehen!«
    »Das möchte ich gerne sehen«, meinte Veronika, »ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir das zeigen wolltest. Es sieht gewiß sehr possierlich aus, wenn die kleinen Männchen sich zanken. Und warum zanken sie sich denn? Man kann sich doch nicht fortwährend zanken! Ich zanke mich auch einmal mit dem kleinen Peter, wenn wir spielen, aber wir versöhnen uns dann gleich wieder. Peter ist der Sohn vom Gärtner, du weißt das doch, sein Vater macht ja den ganzen Garten hier fertig.«
    »Das ist Unsinn«, sagte der Käfer, »diesen Garten macht niemand fertig. Hier wächst alles ganz von selbst und war überhaupt immer da.«
    »Du weißt also nicht, warum die Männchen sich zanken?« fragte Veronika. Es erschien ihr zwecklos, dem Käfer zu erklären, wer der Gärtner war.
    »Ich habe das einmal gehört, aber ich habe es wieder vergessen«, sagte der Käfer, "ich bekomme immer Kopfschmerzen, wenn ich daran denke. Du wirst auch bloß Kopfschmerzen bekommen, also laß es lieber bleiben und kümmere dich nicht darum.«
    »Ich kriege niemals Kopfschmerzen«, meinte Veronika, »Kopfschmerzen kriegen nur die Großen, und dann sind sie eklig und man darf sie nichts fragen. Mir macht das auch gar nichts aus, wenn die Männchen sich zanken. Was geht das mich an? Mir ist es einerlei. Ich will es bloß einmal sehen, weil es ulkig sein muß.«
    »Du wirst schon
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