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Die drei Lichter der kleinen Veronika

Die drei Lichter der kleinen Veronika

Titel: Die drei Lichter der kleinen Veronika
Autoren: Manfred Kyber
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und, guck, das weiße Männchen hat einen Hammer in der Hand, von dem sprühen Funken. Ach, das sieht fein aus! Aber das schwarze Männchen ärgert sich schrecklich, und nun zanken sie sich. Sage einmal, was wollen denn die mit dem Stein machen?«
    »Ja, siehst du, Veronika«, sagte die Elfe, »das weiße Männchen behaut die Steine und macht, daß sie eine schöne Form bekommen, und die Funken will es gern in den Stein hinein haben, damit er durchlichtet wird. Es gibt doch auch klare Steine, weißt du, und so soll die ganze Erde durchlichtet werden. Aber die schwarzen Männchen mögen das nicht leiden.« »Warum denn nicht?« fragte Veronika, »das würde doch wunderhübsch aussehen.«
    »Gewiß«, sagte die Elfe, »und alle würden dann ganz licht und durchsichtig werden, die Menschen, die Tiere, die Pflanzen, und nicht nur die Steine.«
    »Das sollte man aber doch machen«, meinte Veronika, »ich denke mir das reizend, wenn man in jeden hineingucken kann, was drin ist.«
    »Wenn du größer wirst, kleine Veronika«, sagte die Elfe, »dann wirst du es schon bemerken, wie wenig die Menschen es haben wollen, daß man in sie hineinschauen kann. Und du wirst es auch verstehen, denn es sind sehr häßliche und schreckliche Dinge, welche die Menschen in sich verwahren, und die schwarzen Männchen mögen es schon gar nicht dulden, daß man in sie hineingucken könnte, denn was darin zu sehen ist, das ist wirklich abscheulich. Und darum wollen sie, daß alles auf der Erde so schwarz und so dunkel wird, wie sie selbst es sind.«
    »Ich finde, das sollte man sich nicht gefallen lassen«, meinte Veronika, »das sind doch bloß Mäuse auf zwei Beinen, was haben denn die viel zu sagen? Die schubst man beiseite, das ist ganz einfach.«
    »Das können wir beide nicht«, sagte die Elfe, »ich nicht und du auch nicht, Veronika. Wenigstens heute noch nicht. Und sieh einmal, wenn du auch ein schwarzes Männchen beiseite schubst, und das wirst du später manches Mal tun – es sind eben doch sehr viele, und hinter ihnen stehen ganz große und starke Gestalten. Wenn du die sehen könntest, würdest du nicht mehr von Mäusen reden.«
    »Ach, die zeige mir bitte einmal«, rief Veronika und klatschte vergnügt in die Hände, »es gibt ja eine Menge bei dir zu sehen. Zu dir muß ich recht oft in den Baum hineinkommen!«
    »Wer weiß, wann du wiederkommst, kleine Veronika«, sagte die Elfe, »vielleicht kommt bald die Dämmerung über dich, und du wirst mich und das alles für eine ganze Weile vergessen. Doch die großen Gestalten darf ich dir nicht zeigen, du würdest dich so sehr erschrecken, daß du nicht mehr in dein irdisches Kleid zurückschlüpfen wolltest. Das aber mußt du tun, denn deine Wanderung hat ja erst begonnen.«
    »Muß ich denn wandern?« fragte Veronika, »ich gehe doch bloß im Garten spazieren, wie heute.«
    »Du wirst viele Wanderungen machen, und es wird kein Spaziergang sein, kleine Veronika.«
    »Ach, meinst du?« sagte Veronika, »und stehen hinter den weißen Männchen auch so große Gestalten und sind sie auch so schrecklich? Huh, wie sich die Männchen zanken! Aber jetzt hat das weiße Männchen doch den Stein behalten, das freut mich riesig, er soll ihn nur recht schön klar und durchsichtig machen.«
    »Ja, auch hinter den weißen Männchen stehen große Geister, doch die sind nicht schrecklich. Sie sind wunderbar schön, aber so schön, daß du auch sie noch nicht ertragen könntest. Warte nur, kleine Veronika, bis du einmal die Augen der Tiefe haben wirst, dann kannst du die einen und die anderen schauen.«
    »Dann möchte ich bald die Augen der Tiefe haben«, sagte Veronika sehnsuchtsvoll.
    »Ach, kleine Veronika, wünsche das nicht. Die Augen der Tiefe reifen durch Tränen, und die Tränen kommen noch früh genug.«
    An den Baumstamm klopfte es leise. Draußen stand ein Luftgeist, der sah aus, als wäre er aus lauter bunten Farben gewoben, und an den Schultern hatte er Falterflügel.
    »Oh, ist der hübsch«, rief Veronika.
    »Ich soll die kleine Veronika abholen und sie noch einmal zur silbernen Brücke führen«, sagte er leise.
    »Das ist aber nett von dir«, meinte Veronika, »ich freue mich sehr darauf, eine silberne Brücke möchte ich zu gerne sehen!«
    »Ich glaube, deine Dämmerung ist nun nahe gekommen, Veronika«, sagte die Elfe. »Steige hinauf in die Krone, dann gibt dir der Luftgeist die Hand, und du fliegst mit ihm zur silbernen Brücke.«
    »Kommst du nicht mit?« fragte Veronika, »ich
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