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Die drei Lichter der kleinen Veronika

Die drei Lichter der kleinen Veronika

Titel: Die drei Lichter der kleinen Veronika
Autoren: Manfred Kyber
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war, man sank und stieg wie in einer lebendigen Schaukel.
    »Ich kann das alles eigentlich jetzt viel besser verstehen, wo ich drin bin, als vorher, wo ich nur von außen mit den Augen hineingucken konnte«, sagte Veronika. »Mir kommt es überhaupt vor, als wenn ich klüger geworden wäre, seit ich nicht mehr in meinem Erdenleib stecke. Ich glaube, man wird ein bißchen dumm durch ihn und jedenfalls sehr viel schwerer, denn es ist wirklich fein, wie leicht ich jetzt geworden bin.«
    »Ja«, meinte die Elfe, »ihr werdet schon ziemlich dumm durch eure Erdenleiber. Es sind ja auch gar zu unbequeme Kleider, und ich könnte mich nicht darin bewegen. Das Schlimme dabei ist, daß ihr immer dümmer werdet, je größer der Erdenleib wird und je mehr ihr mit ihm zusammenwächst. Ich kann es euch ja nur nachempfinden, denn selber durchgemacht habe ich es nicht.«
    »Kommen wir denn auf die Erde, um dumm zu werden?« fragte Veronika, »das erscheint mir doch etwas komisch, weißt du.«
    »Das ist es nicht«, sagte die Elfe, »ihr werdet bloß dumm, weil es dunkel wird, und dann sollt ihr das Licht suchen, um wieder klug zu werden. Denn wenn ihr das Licht aus dem Dunkel gefunden habt, dann seid ihr ein ganzes Stück klüger geworden. Das Licht zu suchen, ist eben die Aufgabe der Menschen, die Gott ihnen gegeben, und sie müssen es suchen und finden für sich, für die Tiere, Pflanzen und Steine, für die Elfen und Männchen und für alles, was mit ihnen lebt. Das ist aber eine recht schwierige Geschichte, ich kann es dir auch nicht so erklären.«
    »Es kommt mir sehr umständlich vor«, meinte Veronika, »konnte der liebe Gott das nicht ein bißchen bequemer und einfacher einrichten? Ihm kann es doch einerlei sein. Er kann doch alles machen, wie er will. Ich will ihn einmal danach fragen, wenn ich ihm begegne. Aber es ist wohl nicht leicht, ihn zu sprechen? Man kann sich ja denken, daß er viel zu tun hat.«
    »Ach, kleine Veronika«, sagte die Elfe und seufzte, »wenn du Gott suchst, wirst du viele schwere Wege wandern müssen, und wenn du ihn endlich gefunden hast, wirst du ihn nicht mehr fragen, was du heute fragst. Gott suchen und Gott finden ist mehr als eine Kinderfrage. Wäre es das nicht, wir wären vielleicht schon alle erlöst.«
    »Bist du denn verzaubert?« fragte Veronika, »das ist ja wie im Märchen bei Schneewittchen.«
    »Im Märchen ist alles so wirklich, wie sonst auf der Erde«, sagte die Elfe, »oh, wenn die Menschen das doch endlich begreifen wollten!«
    »Schneewittchen schläft im gläsernen Sarge«, sagte Veronika leise, und ihre Augen wurden ernst und tief.
    Die Elfe faßte Veronikas Hand.
    »Wir alle schlafen im gläsernen Sarge«, sagte sie, »denke daran, denke immer daran, wenn du einmal größer wirst, kleine Veronika. Ja, hilf uns erlösen, dich und uns alle. Aber das ist so sehr schwer, kleine Veronika. Du kannst das heute noch nicht verstehen.«
    »Warum nicht?« fragte Veronika, »bin ich nicht klüger geworden, seit ich aus meinem Erdenleibe herausgerutscht bin?«
    »Vielleicht«, meinte die Elfe, »aber noch nicht klug genug. Um zu erlösen, mußt du ja selbst in den gläsernen Sarg hinein und tief ins Dunkel, bis du das Licht findest. Aber es müssen alle Menschen das tun – die anderen Geschöpfe warten so sehr darauf.«
    »Ich hätte das einfacher eingerichtet, wenn ich der liebe Gott wäre«, meinte Veronika nachdenklich.
    »Glaubst du, daß es dann ebenso gut geworden wäre?« fragte die Elfe.
    »Das läßt sich natürlich nicht sagen«, meinte Veronika, »ich kann das alles überhaupt noch nicht so recht übersehen. Bloß daß wir und Schneewittchen aus dem gläsernen Sarge hinaus müssen, scheint mir sehr nötig. Ich werde später mehr darüber nachdenken. Eben kommt es mir ein wenig schwierig vor. Aber willst du mir nicht die Männchen zeigen, die sich zanken? Es würde mir großen Spaß machen.«
    »Komm«, sagte die Elfe, »du mußt einmal hier durch die Wurzeln hindurchgucken. Die kleinen Männchen sitzen tief unter den Wurzeln in der Erde. Kannst du sie sehen? Es sind bloß ein Paar. Man kann ja von hier aus nicht alles überschauen, was unten in der Erde vor sich geht.«
    »Richtig, da sind sie! Ach, sehen die komisch aus!« rief Veronika und beugte sich tief hinab, »das eine ist schwarz und das andre ist weiß, und beide sind sie so klein wie Mäuse. Jetzt fährt das schwarze Männchen auf das weiße los und will ihm einen Stein entreißen. Das ist ein hübscher Stein –
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