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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel
Autoren: Colleen McCoullough
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nie wissen. Da hätten sie schon dazugehören müssen.«
    »Ja«, sagte Meggie, ganz auf ihre Strickarbeit konzentriert, »da hätten sie schon dazugehören müssen.«
    Der Abschiedsbrief an Rainer war ihr nicht sehr schwergefallen, ja, es hatte ihr sogar eine gewisse Genugtuung bereitet, es ihm auf diese Weise ein wenig heimzahlen zu können. Wenn sie Schmerz empfand, so sollte ruhig auch er welchen fühlen. Aber irgendwie verstand er es dann, sie und sich in eine Position zu manövrieren, wo es mit einem Abschiedsbrief nicht getan war. Es mußte auch noch ein Dinner sein. Allerdings nicht in seinem Haus in der Park Lane, sondern in beider Lieblingsrestaurant. Sonderbarerweise machte sie sich ausgerechnet diesmal die Mühe, sich so zu kleiden, wie es seinem Geschmack entsprach. Das Teufelchen, das sie bisher immer dazu angestachelt hatte, in irgend etwas zu schlüpfen, das ihn provozieren mußte, schien fluchend das Weite gesucht zu haben. Da Rainer es gern schlicht hatte, trug sie ein langes, hochgeschlossenes Abendkleid in gedecktem Burgunderrot. Dazu dezenten Schmuck: Perlen. Bloß dieses schreckliche, schreckliche Haar würde sie nie so zurechttrimmen können, daß es ihm gefiel. Nun gut. Das Make-up hatte sie dicker aufgelegt als sonst. Wenn er nicht genau hinblickte, würde er hoffentlich nicht merken, wie bedrückt und niedergeschlagen sie sich fühlte. Nun, offenbar blickte er nicht genauer hin. Zumindest ließ er kein einziges Wort darüber fallen, daß sie müde oder gar krank aussah. Überhaupt wirkte er so eigenartig. Als erschiene ihm dieses Dinner nun doch überflüssig. Ein Ritual, das keinen Zweck mehr erfüllte. Weil der Schlußstrich ja längst schon gezogen war. »Hast du schon einen Brief von deiner Mutter bekommen?« fragte er höflich.
    »Nein. Aber ich erwarte auch keinen. Ich glaube, es fällt ihr schwer, ihre Gefühle in Worte zu kleiden.«
    »Möchtest du, daß Fritz dich morgen zum Flughafen fährt?« »Danke, aber ich kann mir ein Taxi nehmen«, erwiderte sie fast schroff. »Ich möchte dich nicht seiner Dienste berauben.« »Ich habe morgen den ganzen Tag Besprechungen. Es würde für mich weiter keinen Unterschied machen.«
    »Ich habe doch gesagt, ich nehme ein Taxi!«
    Er hob die Augenbrauen. »Deswegen brauchst du doch nicht gleich zu schreien, Justine. Wenn du’s so willst, soll’s mir recht sein.« Er nannte sie nicht mehr »Herzchen«. In letzter Zeit hatte er die altvertraute, liebevolle Anrede immer weniger gebraucht, an diesem Abend noch kein einziges Mal. Oh, was für ein trauriges, deprimierendes Dinner war dies doch! Unwillkürlich blickte sie auf seine Hände, versuchte sich zu erinnern, wie es gewesen war, als sie noch ihre Zärtlichkeit gespürt hatte, und schien es sich kaum mehr bewußt machen zu können.
    Warum war das Leben nur ein einziges Verwirrspiel? Warum ging kaum etwas je seinen vernünftigen Gang? Warum geschahen so furchtbare Dinge wie mit Dane.
    Der Gedanke an Dane ließ sie zusammenzucken. Plötzlich schien sie nicht mehr stillsitzen zu können. Sie beugte sich ein Stück vor. »Ist es dir recht, wenn wir gehen?« fragte sie. »Ich habe solche Kopfschmerzen, und sie werden immer schlimmer.« Sie verließen das Restaurant. Später ließ Rain den
    Mercedes an jener Stelle halten, wo die kleine Straße, in der Justines Mews-Wohnung lag, von der High Road abzweigte. Leichter Nieselregen fiel, und Seite an Seite gingen sie über das Pflaster. »Dann also adieu, Justine«, sagte er.
    »Nun, ja, vorläufig.« Sie versuchte, ihrer Stimme einen beschwingteren Klang zu geben. »Wir können ruhig Auf Wiedersehen zueinander sagen, denn ich werde ab und zu nach Europa kommen, und ich hoffe, daß du Zeit findest, mich manchmal auf Drogheda zu besuchen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Dies ist unser Adieu, Justine. Ich glaube nicht, daß wir noch Verwendung füreinander haben.« »Du meinst, du hast für mich keine Verwendung mehr.« Sie brachte etwas zustande, das wie ein Lachen klang. »Schon gut, Rain! Du brauchst mich nicht zu schonen, ich kann die Wahrheit vertragen!« Er beugte sich über ihre Hand, küßte sie. Dann richtete er sich wieder auf, lächelte ihr in die Augen und ging davon. Auf der Matte lag ein Brief von ihrer Mutter. Nachdem sie ihn aufgehoben hatte, entledigte sie sich erst einmal ihrer Handtasche, ihres Mantels und ihrer Schuhe. Dann ging sie ins Wohnzimmer und setzte sich schwerfällig auf eine der noch herumstehenden Kisten. Minutenlang
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