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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel
Autoren: Colleen McCoullough
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Cleary-Stolz. Ich habe das Gefühl gehabt, daß auch ein Schuß Armstrong dabei ist.«
    Doch Fee schüttelte den Kopf. »Nein. Was immer ich auch getan habe, mit Stolz hatte das nur wenig zu tun. Das ist wohl der Sinn des Alters - daß man Gelegenheit hat, sein Leben in Ruhe zu überdenken, zu erkennen, warum man dies und warum man jenes getan hat.« »Vorausgesetzt, man ist inzwischen nicht so senil, daß man kaum noch einen klaren Gedanken fassen kann«, meinte Meggie trocken. »Bei dir besteht diese Gefahr allerdings nicht. Und bei mir offenbar auch nicht.«
    »Vielleicht ist Senilität ein Segen für jene, die es nicht ertragen könnten, zurückzuschauen. Was dich betrifft, so stellt sich die Frage einer möglichen Senilität ja noch lange nicht. Damit hat’s mindestens noch zwanzig Jahre Zeit.«
    »Noch zwanzig Jahre!« wiederholte Meggie erschrocken. »Das hört sich ja schrecklich lange an!«
    »Nun, die vergangenen zwanzig Jahre hättest du ja weniger einsam verbringen können, nicht wahr?« fragte Fee, während sie eifrig strickte.
    »Ja, gewiß. Aber hätte sich’s gelohnt, Mum? Kaum.« Mit einer ihrer Stricknadeln deutete sie auf Justines Brief, der vor ihr auf dem Tisch lag. »Ich habe lange genug geschwankt - seit Rainers Besuch. Ich hatte immer gehofft, die Entscheidung würde mir erspart bleiben. Aber er hat recht behalten. Am Ende muß ich sie doch treffen.«
    »Du hast dabei aber auch noch mich zur Seite gehabt«, betonte Fee und wirkte leicht gekränkt. »Das heißt, nachdem du deinen Stolz weit genug überwunden hattest, um mir davon zu erzählen.« »Ja, gewiß, du hast geholfen«, sagte Meggie sacht. Sekundenlang war nichts zu hören als das Ticken der alten Uhr und das Klappern von Fees und Meggies Stricknadeln. »Sag mal, Mum«, fragte Meggie plötzlich, »warum hat dich gerade Danes Tod so gebrochen. Selbst bei
    Daddy und bei Stu hast du’s irgendwie besser tragen können.«
    »Gebrochen?« Fee legte ihre Nadeln aus der Hand. Trotz ihrer schwachen Augen konnte sie noch immer genauso gut stricken wie früher. »Wie meinst du das, gebrochen?« »Ich dachte, es würde dich umbringen.«
    »Da hast du recht, das hat es auch fast getan. Aber das war auch bei den anderen nicht anders. Nur war ich damals jünger und hatte die Kraft, mir weniger anmerken zu lassen. Aber Ralph wußte, was ich empfand, als Daddy und Stu starben. Du warst noch zu jung, um das zu sehen.« Sie lächelte. »Ich habe Ralph sehr gemocht, weißt du. Er war ... etwas Besonderes. Ganz wie auch Dane.« »Ja, das war er. Ich wußte nicht, daß du das erkannt hattest, Mum - ich meine, die Ähnlichkeit in ihrem Wesen. Du bist für mich wie das dunkelste Afrika. Es gibt bei dir so vieles, wovon ich nichts weiß.« »Das will ich auch hoffen!« sagte Fee mit einem eigentümlichen Lachen. Noch immer ruhten ihre Hände still auf ihrem Schoß. »Um auf unser ursprüngliches Thema zurückzukommen - wenn du dies jetzt für Justine tun kannst, so scheint mir, daß du aus deinen Nöten mehr gelernt hast als ich aus meinen. Als Ralph damals mit mir über dich sprach, war ich gar nicht erst bereit, irgendeine Alternative zu sehen. Ich wollte nicht die Sorge um dich, ich wollte meine Erinnerungen. Dir bleibt nach deiner Entscheidung jetzt keine Wahl mehr. Du hast nur noch deine Erinnerungen, ob du sie nun willst oder nicht.«
    »Ja. Aber sie sind ja ein Trost, wenn der Schmerz erst einmal abgeklungen ist, meinst du nicht auch? Ich habe Dane ja viele Jahre gehabt, und ich sage mir immer wieder, daß das, was geschehen ist, zu seinem Besten gewesen sein muß, damit ihm womöglich Schlimmeres erspart blieb, das er vielleicht nicht heil überstanden hätte - so wie Frank etwa, wenn auch auf andere Weise. Denn der Tod ist nicht das Schlimmste, das wissen wir beide.« »Bist du überhaupt nicht verbittert?« fragte Fee. »Oh, zuerst war ich’s. Aber um ihretwillen. Ich habe mich sozusagen dazu erzogen, es nicht um meinetwillen zu sein.« Fee nahm wieder ihre Stricknadeln. »Wenn wir einmal nicht mehr hier sind, wird also niemand mehr hier sein«, sagte sie leise. »Dann gibt es Drogheda, das wirkliche Drogheda, nicht mehr. Oh, in den Annalen wird’s sicher einen Vermerk geben, und vielleicht kommt sogar ein sehr ernster junger Mann nach Gilly und versucht, alle zu interviewen, die sich noch erinnern, weil er über Drogheda ein Buch schreiben möchte: über die letzte mächtige Station in Neusüdwales. Aber wie es wirklich war, werden seine Leser
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