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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
Autoren: Monika Peetz
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Kinder waren vorgewarnt, Ehemann Frido räumte bereits den Supermarkt
leer, um Vorräte für eine Woche ohne Eva zu horten, und ihre Mutter Regine, die
Eva gerne für sich vereinnahmte, übte sich auf Lanzarote mit einem indischen
Guru in schamanischer Zupfmassage. Nach Dienstende wollte Eva mit Estelle und Judith
im Gartencenter ein paar grüne Mitbringsel kaufen. Dann war alles geregelt.
Nichts sollte mehr dazwischenkommen. Nichts außer einem Anruf vom
Erzbischöflichen Gymnasium. Er ereilte sie im Krankenhaus, zehn Minuten vor
Dienstende. Ihre vier Kinder besuchten alle die gleiche Schule. Allein der
Anblick der Nummer auf dem Display des Telefons setzte Evas Fantasie in Gang.
Die Bandbreite der Schreckensmeldungen, die bei solchen Telefonaten auf sie
zukamen, variierte von »Wir brauchen jemanden, der beim Sommerfest hilft« über
»Ihr Kind hat den Elternbeitrag zur Klassenfahrt nicht bezahlt« bis zu »Es gab
da ein Unglück beim Sportunterricht«. Heute war es besonders schlimm. Heute
fehlte die Angabe von Gründen. Am anderen Ende der Leitung wartete die Schulsekretärin
mit der nüchternen Mitteilung auf, dass Herr Krüger sie am Nachmittag zu einem
Termin bat. Eva kannte den neuen Rektor des Gymnasiums nur von einem Vortrag,
bei dem er über den »3-D-Cyber-Classroom« der Zukunft doziert hatte. Worum es
konkret ging, wollte die Sekretärin nicht enthüllen, nur das eine: »Es ist
dringend. Sehr dringend.« Frido hatte wie üblich keine Zeit. Sie durfte sich
Krüger alleine stellen.
    »Was ist in der Schule
los?«, schrieb Eva in einer SMS an alle vier Kinder. Die
Straßenbahn zuckelte gemächlich durch die Stadt Richtung Gymnasium und gab
ihren mütterlichen Schuldgefühlen ausreichend Zeit, sich zur Stelle zu melden.
Eva klickte durch ihre Mails. Außer Einladungen zu Klassenabenden,
Elternstammtischen und der pädagogischen Gesprächsrunde des Elternbeirats gab
es keine Mail, die etwas mit Schule zu tun hatte. In Evas Kopf mahlte es.
Auswahl an Themen gab es reichlich: David hatte zwei Verweise wegen chronischen
Zuspätkommens kassiert, Lenes Leistungen bewegten sich, seit sie einen Freund
hatte, in den unteren Kellerregionen, ihre Jüngste, Anna, lag im offenen Clinch
mit der Mathelehrerin, und Frido jr. brachte mit seiner Besserwisserei das
ganze Lehrerkollegium auf die Palme. Dass er tatsächlich vieles besser wusste
als seine studierten Lehrer, machte die Sache nicht einfacher.
    Wie lange brauchte die
Straßenbahn bloß für die kurze Strecke? Auf der Suche nach Ablenkung wanderte
Eva auf ihrem Smartphone zu Kikis Blog, der mit der kecken Überschrift
»Bauruine gesucht und gefunden« versehen war . »41
Fenster, 19 Räume und große Pläne«, stand in Kikis erstem Beitrag. »Strom, Gas
und Wasser lassen wir vom Fachmann machen, der Rest wird Eigenleistung.«
    Eva wurde schummrig
angesichts der Bilder von entkernten Räumen, schiefen Decken, fehlenden Fußböden
und lose im Raum hängenden Leitungen. »Stil Dresden 1945«, lautete die
selbstironische Bildunterschrift. »Uns geht es großartig.«
    »Das heißt gar nichts«,
hatte Estelle den Eintrag bei einem der Dienstagstreffen kommentiert. »Kiki
fände es selbst auf der Titanic großartig. Wann begegnet man schon mal einem
Eisberg?«
    Neue Einträge und Fotos
gab es schon lange nicht mehr. Nach den euphorischen Posts über den Anfang der
Renovierungsarbeiten blieb es still in Mecklenburg-Vorpommern. Der Satz »Hast
du was von Kiki gehört?« war längst zum Mantra der Dienstagsfrauen geworden.
Jedes Telefonat, jede zufällige Begegnung, jedes Treffen begann und endete bei
der Freundin. Wann immer Eva Kiki angerufen hatte, musste Greta gerade ins
Bett, in die Badewanne oder zum Kinderarzt. Noch öfter war was mit der
Telefonverbindung, Mauern mussten mit Lehm verputzt werden, Decken verkleidet,
Wände gestrichen, Fußböden ausgesucht und verlegt, feuchte Stellen bekämpft
oder ein Etappenabschnitt gefeiert werden. Es war höchste Zeit, persönlich in
Birkow nach dem Rechten zu sehen. Wenn sie nur schon diesen Termin in der
Schule hinter sich gebracht hätte.
    Eva war bereits ein
Nervenbündel, als sie die imposante Eingangshalle der Schule betrat. Statt des
typischen Schulgeruchs, einer Melange aus Reinigungsmittel, Holzbänken, nassen
Kinderjacken und muffigen Hausschuhen, die ihre eigene Schulzeit geprägt hatte,
empfing sie eine moderne Eingangshalle mit einer digitalen Anzeigetafel. »Alle
Zugänge zum Schulcomputer bleiben bis auf Weiteres
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