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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
Autoren: Monika Peetz
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jedem Karton, der geschlossen, mit jedem
Möbelstück, das vom Umzugswagen verschluckt wurde, entschwand Kiki ein Stück
mehr aus dem Leben der Dienstagsfrauen.
    Judith bewunderte Kiki
für ihren Mut. Sie selbst war nach den zahlreichen Veränderungen in ihrem
Leben, die sie in den letzten Jahren durchlitten hatte, allergisch gegen allzu
viel Neubeginn. Judith hasste Abschiede jeder Art. Die Mittagspause fand
bereits in einem halb leeren Wohnzimmer statt. Ohne Kikis fröhliche Einrichtung
offenbarte die Wohnung ihre ursprüngliche Hässlichkeit. Die Freundinnen machten
es sich mit den verbliebenen Sofakissen auf dem Boden bequem. Als Tisch diente eine
Umzugskiste mit dem kecken Aufdruck »Ruhe im Karton«. Darunter war in Kikis
Handschrift »Küche unwichtig« vermerkt. Es war die Sorte Karton, die gemeinhin
von Keller zu Keller umzog und später von Erben unbesehen entsorgt wurde. Doch
Kiki hatte aussortiert. »Küche unwichtig« ging direkt zum Sozialkaufhaus in
Nippes, wo die abgedankten Haushaltsgegenstände für einen guten Zweck verkauft
wurden.
    Kiki hatte sich
vorgenommen, vernünftiger mit eigenen und fremden Ressourcen umzugehen.
    »Der Mensch braucht 300
Gegenstände zum Leben«, verkündete sie. »Ich hatte mindestens 10   000. Das meiste habe ich nie benutzt.« Kiki war
entschlossen, ein einfacheres, ehrlicheres Leben zu führen. »In und mit der
Natur«, betonte sie.
    Judith konnte weder
etwas essen noch sagen. Genau wie ihre Freundinnen hatte sie Mühe, Kiki ziehen
zu lassen. Bei thailändischem Curry vom Imbiss und französischem Champagner
redeten die Dienstagsfrauen alle ein bisschen lauter und schneller als
notwendig, als wollten sie die leeren Räume ein letztes Mal zum Klingen
bringen.
    Eva hatte Tränen in den
Augen. »Zu scharf, das Curry«, log sie.
    Caroline war wie üblich
weniger zurückhaltend: »So wie früher wird es nie wieder sein«, seufzte sie
wehmütig.
    »Gott sei Dank«, meinte
Kiki unbeeindruckt. »Ich sehne mich nicht nach meinen unordentlichen Jahren
zurück. Wer will schon noch mal zwanzig sein?«
    »Ich«, entgegnete
Estelle nüchtern. »Dafür verzichte ich gerne auf die Altersweisheit.«
    Kikis iPad wurde
herumgereicht. Kritisch begutachtete Judith die neuesten Fotos vom zukünftigen
Zuhause der kleinen Familie.
    »Wir ziehen in die
Lehrerwohnung im Dachgeschoss. Und dann fangen wir im Mitteltrakt an«, erklärte
Kiki und wies auf den hohen Giebel mit Türmchen und alter Schuluhr, der das
zweistöckige Gebäude in zwei gleiche Hälften teilte. »Der Frühstücksraum und
die Küche kommen in die ehemalige Aula, die Fischerhütte und die Klassenzimmer
werden nach und nach zu Fremdenzimmern umfunktioniert.«
    Der Plan war einfach:
In der Hauptsaison war die Frühstückspension für Einzelgäste reserviert, in den
anderen Monaten sollte sie zu einem reduzierten Preis Estelles Stiftung zur
Verfügung stehen. Kiki begeisterte der Gedanke, dass die Sandkrugschule nicht
allein Besserverdienenden vorbehalten blieb. Schon im nächsten Sommer sollte
ihr Bed & Breakfast eröffnen.
    Wie immer bei
Verliebtheiten war es schwierig, das unsichtbare Wunder in Worte zu verpacken
und anderen zu vermitteln. Keine der Freundinnen wagte, einen kritischen
Kommentar abzugeben. Man musste kein Bauexperte sein, um zu begreifen, dass die
Gebäude unter die Kategorie »einstürzende Altbauten« fielen.
    Kiki verstand auch so,
was die betroffenen Mienen bedeuteten: »Es steht seit acht Jahren leer«, sagte
sie betont munter. »Es gibt einiges zu renovieren.«
    »Ich hätte den Mut nicht«,
gab Eva ehrlich zu. Als vierfache Mutter und Ärztin in Teilzeit lavierte sie
jeden Tag aufs Neue an der Grenze der eigenen Belastbarkeit. Sie konnte sich
beim besten Willen nicht vorstellen, wie Kiki das schaffen wollte. Ein Baby?
Die freiberufliche Arbeit als Designerin? Und dann noch mal so eben 475
Quadratmeter Nutzfläche von Grund auf renovieren? Vom selbst angebauten Gemüse,
das zu Kikis Traum vom Leben auf dem Lande unabdingbar dazugehörte, ganz
abgesehen.
    Estelle konnte der
Idee, ein Bed & Breakfast zu führen, durchaus etwas abgewinnen. »Ich habe
das auch: Bei jedem Urlaub denke ich, ich sollte ein Hotel im Süden eröffnen.
Palmen, Sonne, Strand, Urlaub für immer. Fünf Minuten nach der Landung zu Hause
hab ich’s wieder vergessen.«
    Während die Dienstagsfrauen
nur vorsichtig Zweifel äußerten, fand Max’ Vater zum Abschied deutliche Worte.
Als Umzugshelfer und Babysitter am späten Nachmittag am
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