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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
Autoren: Monika Peetz
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gesperrt«, blinkte es dort
in großen Lettern. Krügers neue Technik schien nicht ohne Tücken zu sein.
     
    »Sie wissen, warum ich Sie
einbestellt habe?«, schrie der Rektor sie an. Er musste laut werden, denn im
Speichergeschoss kümmerten sich Handwerker geräuschvoll darum, die Klimaanlage
vor dem Sommer einer längst fälligen Generalüberholung zu unterziehen. Eva
konnte wahrlich Kühlung gebrauchen. Nach drei Treppen und tausend
Schreckgespenstern im Kopf rann ihr der Schweiß in einem kleinen Bächlein den
Rücken herunter. Wenn sie wenigstens den dicken Tweed-Blazer ausziehen könnte.
Doch das ging leider nicht. In der morgendlichen Hektik hatte sie es gerade mal
geschafft, die Vorderseite ihrer Bluse aufzubügeln. Sie ahnte, dass dieser Tag
nicht zu retten war. »Einbestellt«, das Wort alleine.
    Eva versuchte, einen
möglichst kompetenten und gelassenen Gesichtsausdruck aufzusetzen, der
vermitteln sollte, dass sie das Familienleben, ihre Teilzeitstelle im
Krankenhaus, die vier Kinder und die Bügelwäsche im Griff hatte. Wieso ließ sie
sich von jemandem beeindrucken, der ihr Sohn hätte sein können? Der Mann, der
ihr an einem schweren Holzschreibtisch gegenübersaß, war mindestens zwanzig
Jahre jünger als sie. Mit exaktem Scheitel im lockigen Haar,
Sechzigerjahre-Brille und einem Anzugensemble aus schlammfarbenem Cord wirkte
er, als hätte er sich nur als Schulleiter verkleidet. Vielleicht mischte er
deswegen seiner voluminösen Stimme diese Prise väterlichen Tadels bei, die Eva
bei Lehrern so hasste. Noch bevor das Vergehen bekannt war, fühlte man sich
bereits als Delinquent.
    »Um was geht es
eigentlich?«, fragte Eva ungehalten.
    »Ihr Sohn hat noch
nicht mit Ihnen gesprochen?«, setzte Krüger seine Quizshow fort.
    Der 50   :   50-Joker: Anna und Lene schieden also als
potenzielle Übeltäter aus. Blieben David oder Frido jr. Welchem ihrer Söhne
hatte sie diesen Auftritt zu verdanken? Der Rektor legte eine Kunstpause ein,
um ihr Gelegenheit zu geben zu beweisen, wie gut sie mit ihren Teenagern
kommunizierte. Eva schielte auf ihr Handy. Ihre elektronische Rundfrage, was
sie in der Schule zu erwarten hätte, war unbeantwortet geblieben. Kein Wunder. SMS schreiben fanden ihre Kids so was von 2010. Heute
kommunizierte man über WhatsApp. Wenn man in der Lage war, sich diese App
herunterzuladen. War sie aber nicht.
    »David ist heute Morgen
wieder zu spät gekommen«, riet Eva, nur um eine Sekunde später festzustellen,
dass sie die falsche Antwort gegeben hatte. Bis zu ihrer vorschnellen Bemerkung
hatte der übereifrige Herr Krüger Davids schriftliches Attest auf dem Briefpapier
des Krankenhauses für ein Original gehalten. Genauso wie Evas unleserliche
Unterschrift. Eva fühlte sich mit einem Schlag unendlich müde. Viele Paare
wünschten sich Kinder. Keiner wünschte sich Teenager. Am allerwenigsten Eva.
Wenn es stimmte, dass Gehirne von Halbwüchsigen in der Pubertät umgebaut
wurden, lebte Eva auf einer familiären Großbaustelle. Eines ihrer vier Kinder
fand sich immer bereit, das Wohnzimmer zu vermüllen, den letzten Hausschlüssel
zu verlieren, mit den vierzehn besten Freunden den Kühlschrank zu leeren oder
Schulatteste zu fälschen. Sie nahm sich vor, gleich heute Abend das Elternbuch
über die Pubertät zur Hand zu nehmen, das ihre wohlmeinende Mutter Regine ihr
mitgebracht hatte. Vielleicht verriet der Ratgeber, wie man Tage wie diese
überlebte. Wenn sie wenigstens etwas im Magen hätte. Schon beim Frühstück im
Hause Kerkhoff war es drunter und drüber gegangen. David war nicht aus dem Bett
gekommen, Lene beschwerte sich unter Verweis auf ihr stolzes Alter von sechzehn
Jahren, dass sie nicht mit ihrem Freund übers Wochenende nach Amsterdam fahren
durfte, und der kleinen Anna war um Viertel vor acht eingefallen, dass sie
heute Stricknadeln und Wolle mitbringen musste. Als David beim dritten Weckruf
die anstehende Mathearbeit mit dem Argument »Ich will Rapper werden, da braucht
man kein Abitur« als sinnlos abtat, fragte sie sich, ob sie den Kampf um die
Schulbildung ihres Erstgeborenen aufgeben sollte. Vielleicht musste sie
akzeptieren, dass ihr Sohn Gefahr lief, die Frage nach dem ersten Menschen im
Weltall mit Captain Kirk zu beantworten und Michelangelo für einen der Ninja
Turtles zu halten. Nur Frido jr. hatte am Morgen geschwiegen. Wie üblich
brütete er hinter seinem Computer über endlosen Zahlenkolonnen. Eva hatte
darauf verzichtet, ihren täglichen Vortrag über den
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