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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
Autoren: Monika Peetz
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Carolines Mund
auf sie niederprasselten, waren ein zarter Abglanz des rüden Umgangstons, den Carolines
Klienten in die Kanzlei der Strafverteidigerin trugen. Im Treppenhaus brachten
sich die selbst ernannten Umzugsexperten vom Bürgersteig in Position, um ihrer
zukünftigen Exnachbarin Kiki zu zeigen, wo es langging. Qua Kommode. Rein
theoretisch jedenfalls.

2
    Judith flüchtete ins
Schlafzimmer. Zu Estelle.
    Die hatte sich in der
letzten Ecke verbarrikadiert und versuchte, so unsichtbar wie möglich zu
wirken, während im Treppenhaus der dritte Balkankrieg ausbrach.
    »Ich drücke mich
nicht«, verteidigte Estelle sich präventiv. »Ich kümmere mich um den
artgerechten Transport der Topfpflanzen.«
    Hingebungsvoll wickelte
sie einen überdimensionierten Stachelkaktus in Noppenfolie. »Den bekommst du
sonst nicht nach unten«, erklärte Estelle. »Es sei denn, du stehst auf
botanische Tätowierungen.«
    »Ich wundere mich, dass
das Gewächs bei Kiki überlebt hat«, bemerkte Judith. »Kiki hatte noch nie Interesse
an Grünzeug.«
    Estelles Vermutungen
waren eindeutig: »Der sieht aus wie ein Dildo. Vielleicht liegt es daran.«
    Kikis Männerverschleiß
war in der Dienstagsrunde legendär. Doch seit Kiki den dreizehn Jahre jüngeren
Max Thalberg kennengelernt hatte und Mutter geworden war, war alles anders
geworden. Die Großstadtpflanze hatte beschlossen, ihr bisheriges Leben hinter
sich zu lassen. Tschüss, lange Abende am Brüsseler Platz, auf Wiedersehen,
Hallmackenreuther, E-Werk, Six Pack und King Georg, bye bye, »Coffee to go«,
adieu, Dienstagsfrauen. Und das alles für einen höheren Zweck.
    »Greta soll nicht in
der Stadt aufwachsen und glauben, Milch wächst bei REWE im Kühlregal«, hatte Kiki ihren radikalen Schritt begründet. Das Honorar, das
sie für ihren Designauftrag für die Kaffeehauskette »Coffee to go« erhalten
hatte, investierte sie in ein neues Leben. Kiki und Max waren glückliche
Neubesitzer einer Hypothek und einer renovierungsbedürftigen alten Schule mit
ausreichend Land für grüne Selbstversorgerträume. In Mecklenburg-Vorpommern. Zu
etwas anderem hatten die Finanzen der jungen Familie nicht gereicht.
    »Neunzig Minuten nach
Berlin, neunzig Minuten nach Hamburg, neunzig zum Meer«, begeisterte sich Kiki.
    Die Entfernung zwischen
Köln und ihrem neuen Wohnort ließ sie im Ungenauen. Kiki hatte das alte
Schulgebäude auf einer Reise durch Mecklenburg-Vorpommern entdeckt. Hinter dem
Haus befand sich ein 3400 Quadratmeter großes Grundstück mit altem Obstbaumbestand,
eigenem Seezugang samt pittoresker Fischerhütte und einer eingefallenen
Scheune, die abgerissen werden durfte. Aber wozu etwas abreißen, aus dem sich
noch etwas machen ließ? Kiki war von dem geschichtsträchtigen Ort auf den
ersten Blick begeistert gewesen. Ihre Bank weit weniger. Freiberufler? Kein
gesichertes Einkommen? Noch nicht mal verheiratet? Und das Eigenkapital –
war das alles? Was Kiki für unermesslichen Reichtum hielt, weckte in der
Kreditabteilung der Sparkasse am Eigelstein ein müdes Lächeln. Selbst Kikis
brillante Geschäftsidee, die alte Schule zu einem Bed & Breakfast für
ruhebedürftige Großstädter und Ökotouristen auszubauen, hatte die
Zahlenfetischisten bei der Bank nicht überzeugt. Erst Estelles Zusage, für ein
halbes Jahr eine bestimmte Anzahl von Zimmern für eines ihrer Charityprojekte
anzumieten, hatte die Bank gnädig gestimmt. Das lag vor allem daran, dass
Estelle diese Zusicherung mit einer Vorauszahlung untermauern würde. Estelle
begeisterte die Aussicht, Kindern aus sozial schwachen Familien zu kostenlosen
Ferienaufenthalten bei Kiki zu verhelfen. Sie liebte ihre Charity-Arbeit.
Solange das Engagement nicht mit körperlichem Einsatz verbunden war.
    Die Dienstagsfrauen
hatten alle fünf Kontinente bereist, sie hatten als Weltbürger die exotischsten
Landstriche durchstreift. Die Mecklenburger Seenplatte kannte keine. Was könnte
exotischer sein, als zwischen Hühnern, Kühen und Stadtflüchtlingen ein neues
Leben zu beginnen?
     
    Es war bald zwanzig Jahre
her, dass sich die fünf Frauen bei einem Französischkurs am Kölner Institut
français kennengelernt hatten. Bis heute kamen sie an jedem ersten Dienstag im
Monat zusammen. Doch jetzt würde alles anders werden. Der Umzugstag fiel auf
den elften November. Selbst die Pappnasen, die auf dem Weg zum Neumarkt waren,
um die Karnevalssession zu eröffnen, konnten dem trüben grauen Tag keinen
heiteren Anstrich verleihen. Mit
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