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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
Autoren: Monika Peetz
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erneut den Koffer: »Vielleicht sollte ich was
Schickes mitnehmen«, sagte sie. »Man weiß ja nie, bei fremden Männern.«

5
    »Und? Was war?«, fragte
Caroline am Telefon. »Hast du das Bügeleisen angelassen?«
    Sie saß noch immer an
ihrem Schreibtisch in der Anwaltskanzlei, als Evas Anruf sie erreichte.
    »Natürlich nicht«,
klang Evas Stimme fröhlich aus dem Hörer. »Ich hatte heute gleich mehrere
Schutzengel im Einsatz.«
    Als ob sie Carolines
kritischen Blick durch die Telefonleitung spürte, verteidigte Eva sich sofort. »Ich
bin katholisch. Da darf man an himmlischen Einfluss glauben.«
    Caroline war zu sehr
Anwältin, um diese Ansicht zu teilen: »Das ist Pfusch am Bau, da muss man etwas
unternehmen.« Ihre Erfahrung lehrte, dass es besser war, sich weder auf Gottes
Fügung zu verlassen noch auf einen höheren Plan des Schicksals oder metaphysische
Fledermäuse, die einen aus Notsituationen retten. Engel waren unzuverlässige
Gestalten. Abends wenn ich schlafen geh, vierzehn Engel um
mich stehn : Selbst in dem berühmten Abendlied, in dem sich vierzehn
wachsame Engel um das Bett drängelten, waren zwei davon abgestellt, einen
umgehend in den Himmel zu geleiten.
    Eva wollte sich auf
keine Diskussion über die juristischen Aspekte ihres Beinaheunfalls einlassen.
»Mir ist nichts passiert. Es bleibt wie abgesprochen. Wir fahren zu Kiki.
Morgen früh«, beendete sie das Telefongespräch. Sie klang atemlos und hektisch.
Caroline vermutete, dass die Freundin unter Schock stand.
     
    »Frau Seitz, Frau Seitz…«,
hörte Caroline eine aufgeregte Stimme auf dem Gang rufen. Im selben Moment flog
ihre Bürotür auf. Ein leichenblasses, durchsichtiges Wesen mit wallendem
Umhang, weiß geschminktem Gesicht, tiefdunklen Augen und lila Lippen schwirrte
in ihr Zimmer. Das Gespenst hieß Nora und war Carolines neuer Azubi. Ihre Noten
waren erstklassig, Umgangsformen und Geschmack gewöhnungsbedürftig. Noras
Vorstellung von ihrem neuen Beruf als Anwaltsgehilfin war von amerikanischen
Serien beeinflusst, der Alltag in der Kanzlei bislang eine einzige große
Enttäuschung. Zu viel Papier, zu wenig Adrenalin. So engagiert wie heute hatte
Caroline das Mädchen noch nie erlebt. Aufgeregt wedelte sie mit einem Brief.
    Caroline erkannte die
Machart auf den ersten Blick. Ein Drohbrief. Mal wieder.
    »Ich mach dich tot«,
stand auf dem Papier. Die Schrift war rot zerlaufen.
    »Ist das Blut?«,
platzte Nora aufgeregt heraus. Sie war sichtlich begeistert, dass endlich etwas
passierte, was mit CSI mithalten konnte.
    »Roter Edding«, meinte
Caroline nach einer kurzen Geruchsprobe.
    Nora sackte enttäuscht
in sich zusammen. »Aber das ist doch eine ernst zu nehmende Drohung, oder?«
    Caroline spielte den
Vorfall herunter: »Was glauben Sie, wie viele solcher Schreiben die Kanzlei im
Lauf der Jahre erhalten hat? Ganze Ordner voll.« Sie versuchte, so neutral wie
möglich zu klingen. Wer Mörder und andere Schwerverbrecher verteidigte, musste
damit rechnen, selbst zur Zielscheibe zu werden.
    »Gehen Sie ins Kino und
vergessen Sie den Mist«, empfahl sie. »Wir sehen uns nach meinem Urlaub.«
    Nora entschwand
desillusioniert. Caroline atmete tief durch. Seit dem Beginn ihrer Karriere kannte
sie die Situation, bedroht, beschimpft und angegriffen zu werden. Das war alles
nichts gegen die Hetzkampagne, die sie in den letzten Monaten aushalten musste.
Caroline war in einem aufsehenerregenden Entführungsfall zur
Pflichtverteidigerin berufen worden. Ein kleines Mädchen war am helllichten Tag
aus einem öffentlichen Schwimmbad verschwunden und zwei Tage später vollkommen
verwirrt in einem Straßengraben aufgefunden worden. Caroline hatte für den
mutmaßlichen Kidnapper einen Freispruch mangels unwiderlegbarer und
stichhaltiger Beweise erwirkt. Der Verdächtige war vorbestraft, das Opfer
niedlich und der Volkszorn gegen die Verteidigerin gewaltig. Caroline wurde
überspült von Beschimpfungen und Drohungen. Per E-Mail, Telefon und Brief,
selbst auf der Straße gingen Fremde sie an. Vor drei Tagen hatte Caroline eine
halb verweste Ratte in ihrem Briefkasten gefunden. »Deine Zeit läuft ab. Ich
komme dich bald besuchen«, stand auf dem beiliegenden Zettel. Geschrieben mit
blutrotem Edding. Das Gefühl, selbst zu Hause nicht mehr sicher zu sein, hatte
ihr den Rest gegeben. Die unsichtbare Gefahr begleitete sie 24   Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.
     
    Als sie am Abend zu ihrem
Auto ging, fiel ihr auf, wie unübersichtlich und
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