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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben
Autoren: Monika Peetz
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schlecht beleuchtet der
Parkplatz ihrer Kanzlei war. Tagsüber spielten Kinder auf dem Stück Brachland,
abends führten Hundebesitzer ihre kleinen Lieblinge aus, die mit manch
heimlichem Liebespaar um einen Platz im Dunkel der Büsche konkurrierten.
Überall konnte sich jemand in dem undurchdringlichen Gestrüpp verborgen haben.
Du bist paranoid, Caroline, sagte sie sich und beschleunigte trotzdem ihren
Schritt. Sie konnte mit offenen Auseinandersetzungen umgehen, mit verbalen
Scharmützeln und Konflikten. Der unsichtbare Gegner zermürbte sie zunehmend.
Sie lauschte in die Finsternis, spähte in die dunklen Ecken und probierte,
tanzende Schatten zu deuten. Der Verstand befahl ihr, Ruhe zu bewahren. Die
Drohbriefe, das sagte ihre Erfahrung, kamen von jemandem, der die direkte
Konfrontation scheute, jemand, der Angst hatte, ihr in die Augen zu sehen und
die Beschimpfungen zu wiederholen. Ein Feigling, der den direkten Kontakt
fürchtete. Nichts würde passieren. Ihrem Angstzentrum waren solche
Gedankengänge egal. Das Dauerfeuer an Kritik, dem sie ausgesetzt war, hatte sie
dünnhäutig gemacht. Caroline hatte schon fast das Auto erreicht, als sie in
ihrem Rücken Schritte hörte. Kleine, schnelle Schritte. Da lief jemand. In ihre
Richtung. Hektisch kramte sie in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. Ihre Finger
suchten hilflos zwischen Unterlagen, Terminkalender, Kopfschmerztabletten,
Taschentüchern, Handcreme und der Post von vier Tagen, bevor sie endlich den
Schlüssel ertasteten. Die Schritte in ihrem Rücken klangen schon ganz nah. In
dem Moment, in dem sie den Schlüssel ins Schloss steckte, traf sie etwas am
Hinterkopf. Hart. Schmerzhaft. Plötzlich. Caroline versuchte sich zu
orientieren. Sie brauchte ein paar Sekunden, um zu merken, dass es nur ein
Fußball war, der sie mit voller Wucht getroffen hatte. Sie drehte sich
blitzschnell um. In der Hecke raschelte es verdächtig. Ein weißes Gesicht
leuchtete aus dem Blättermeer. Caroline war so wütend, dass sie direkt auf den
Schützen zuging und den Verursacher mit eiserner Hand am Schlafittchen aus dem
Dunkel zerrte. Es war ein Junge, kaum vierzehn Jahre alt. Er hatte rote Haare,
rote Sommersprossen und war ziemlich untersetzt.
    Caroline verlor die
Beherrschung: »Was glaubst du, was das ist? Ein Computerspiel, bei dem man
Leute abknallt?«
    In den Augen des Jungen
stand nackte Panik. Er roch nach Pommes und Schweiß.
    »Ich wollte das nicht«,
stammelte er. »Ich wollte die Mülltonne treffen. Nur die Mülltonne. Ich bin
nicht gut in Fußball. Fragen Sie den Trainer. Ich sitze die meiste Zeit auf der
Bank.«
    »Wissen deine Eltern,
dass du dich so spät noch auf der Straße rumtreibst?«
    Carolines Schädel
brummte. Sie konnte nicht beurteilen, wie laut sie sprach.
    »Ich hab Pommes
gegessen. Am Kiosk. Hab ich selber bezahlt. Vom Taschengeld.«
    Der Junge brach in
Tränen aus. Er trug das grün-weiße Fußballshirt, das Caroline noch von früher
kannte. Ihr Sohn Vincent hatte als Kind beim SC Borussia
Lindenthal-Hohenlind gespielt, jetzt kickten Evas Söhne bei dem Kölner
Traditionsverein. Wie oft war Vincent zu spät nach Hause gekommen, weil er auf
dem Heimweg vom Fußballtraining drei Filialen von McDonalds’ passieren musste?
Caroline ließ schuldbewusst von dem kleinen Fußballspieler ab.
    Der heulte einfach
weiter: »Sie dürfen meinen Eltern nicht verraten, dass ich an der Imbissbude
war. Ich muss immer zum Diätschwimmen. Weil ich zu dick bin.«
    Caroline fühlte sich
schlecht. Seit Wochen stand sie unter Druck und nun ließ sie ihren Ärger an
einem Jungen aus, der ihr nichts entgegenzusetzen hatte als Stammeln, Stottern
und Schluchzen.
    »Es bleibt unter uns«,
versprach sie.
    Sie hatte überreagiert.
Wegen eines verirrten Fußballs. Was konnte dieser arme Junge für ihre Probleme?
Der kleine Sportler murmelte eine Entschuldigung und machte sich so schnell wie
möglich vom Acker.
    Müde ließ Caroline sich
auf den Fahrersitz fallen. Ihr Schädel brummte. Ihr Gehirn hatte sich vom
Schlag noch nicht erholt, der Nacken schmerzte. Das Telefon klingelte.
Erschöpft nahm sie ab.
    »Ich habe dich im Auge.
Ich kann deine Angst riechen. Deine Zeit läuft ab«, hallte es. Die automatisierte
Stimme gehörte Siri, der Sprachfunktion des iPhones, die gebrochen einen
vorgegebenen Text las. Danach folgte martialische Musik. I’m
gonna kill you.
    Am liebsten hätte
Caroline ihr Smartphone, das sie Tag und Nacht mit diesen Anrufen bombardierte,
kaputt
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