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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele
Autoren: Thea Dorn
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hatte ursprünglich verlangt, die Alliierten sollten in seinem Namen bei den beiden deutschen Staaten vorstellig werden. Jene aber sahen es offensichtlich nicht als ihre Aufgabe an. Auch das ist interessant. Als daraufhin die Regierung Ben Gurion selbst aktiv wurde, lehnte die DDR den Anspruch auf Entschädigung grundsätzlich ab. Die Bundesregierung hingegen sagte zu.
    Konrad Adenauer hatte in dieser Frage in seiner eigenen Partei und unter seinen Koalitionspartnern keine Mehrheit. Es gab prominente Gegner des Abkommens wie Thomas Dehler oder den eigenwilligen Franz Josef Strauß. In der deutschen Öffentlichkeit wurde vielfach Druck auf die Entscheidungen der Regierung und vor allem des Bundeskanzlers ausgeübt. Eine auffallend aktive proarabische Lobby spielte die Hauptinstrumente in dieser Begleitmusik. Man sah wieder einmal die deutsch-arabischen Beziehungen gefährdet, damit hatte die Arabische Liga gedroht. Worin die dringliche Bedeutung dieser Beziehungen im Jahr 1952 bestehen sollte, war und ist unklar. Deutschland hatte keinerlei geopolitische Interessen am Mittelmeer zu verteidigen. Und alle Beziehungen der jüngeren Vergangenheit dienten primär der Schwächung des Empire, ob nun zu Flottenplan-Zeiten von Wilhelm II. oder bei den Tischreden vom Obersalzberg.
    Diese Front war eine der Vergangenheit. Vielleicht aber war es etwas ganz anderes, vielleicht waren es ja die alten Kameraden in Gamal Abdel Nassers Diensten, die nach Kairo geflohenen Nazi-Chargen, die dort den Sicherheitsapparat der panarabischen Nationalisten aufbauten. Zu den publizistisch proarabisch eingreifenden Deutschen gehörte auch Marion Gräfin Dönhoff. Sie befürwortete in der Zeit vom 16. Dezember 1952 eine Lösung, die, wie sie meinte, zu aller Zufriedenheit sein könnte. Mit den Zahlungen und Lieferungen sei erst dann zu beginnen, wenn der Kriegszustand im Vorderen Orient beendet sei, erst nachdem Israel und die arabischen Staaten Frieden geschlossen hätten. Also am Hamburger Sanktnimmerleinstag.
    Der entschiedene Adenauer wusste sich glücklicherweise durchzusetzen. Er suchte sich eine zweckmäßige Mehrheit dort, wo sie gerade zu finden war. Das »Luxemburger Abkommen« wurde vom Bundestag mit den Stimmen der oppositionellen SPD angenommen.
    Was mit der Wiedergutmachung begann, sollte eine generell moralisch begründete Begleiterscheinung der bundesdeutschen Debatten werden. Nach den nationalsozialistischen Verbrechen konnte man nicht zur Tagesordnung übergehen, egal welcher Agenda man zu folgen dachte. Die Vergangenheit redete in allen Situationen mit, und die Politik in der Bundesrepublik wurde von mehr oder weniger selbst ernannten Prüfern im In- und Ausland scharf beobachtet. Es herrschte Kalter Krieg, und nicht nur Deutschland, ganz Europa war geteilt, und die Supermacht Sowjetunion hatte sich und ihre osteuropäischen Satelliten mit dem panarabischen Nationalismus gemein gemacht.
    Der Zweite Weltkrieg hatte so viele Beigaben propagandistischer Natur wie kein Krieg davor, und da es ein nach prononciert ideologischen Prinzipien geführter Kampf war, konnten auch sein Ausgang und die auf diesen folgende Nachkriegsordnung nur ideologisch verhandelt werden. Die Bundesrepublik als Torso des Deutschen Reiches, ohne Verbündete, aber eingebettet in den Ost-West-Konflikt und so unter dem Schutz der westlichen Besatzungsmächte stehend, musste sich innenpolitisch für alle sichtbar neu aufstellen und sich gleichzeitig völkerrechtlich einen Platz für die Zukunft sichern. Der Vorwurf des Völkermords, dem sie sich auf Dauer zu stellen hatte, forderte geradezu die Moralisierung der Öffentlichkeit und selbst der Diplomatie.
    Innenpolitisch musste unter diesen Umständen ein Gleichgewicht aller Kräfte erreicht werden, wollte man nicht extreme Strömungen riskieren, die dem Projekt ablehnend oder gar feindlich gegenübergestanden hätten. Um das zu vermeiden, entschied man sich schon 1951 für das Verbot der markantesten Extremisten. Auf der Rechten war dies die Sozialistische Reichspartei (SRP), in deren Vorstand ein Otto Ernst Remer saß, der die Verschwörer des 20. Juli verhaftet hatte, und auf der Linken die KPD, die das Grundgesetz ablehnte. Während die SRP praktisch über Nacht verboten werden konnte, inszenierten smarte linksorientierte Anwälte eine schier endlose Prozess-Folge, die bis 1956 anhielt, als endlich auch das Verbot der KPD verfügt werden konnte.
    Der Kalte Krieg wurde an vielen Fronten geführt, und an den
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