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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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und Filmen wie Wall Street ?
    Menschen bauen Mythen, wenn sie die Fakten nicht kennen. Und das Investmentbanking ist ein relativ abgeschlossenes System. Außerdem sind viele Mitarbeiter, die einen erheblichen Arbeitseinsatz zeigen, sehr jung. Daraus entsteht dann vielleicht auch der ein oder andere Mythos. Aber ich kann Ihnen versichern, auch wir arbeiten an Schreibtischen und in Großraumbüros. Keiner fühlt sich als Master of the Universe . Wir sind Dienstleister.
    Sie nannten sich einmal »Hired Gun«.
    Das sollten Sie in den Kontext setzen, in dem ich es gesagt habe. Es ging wieder mal um die Fusion von Daimler und Chrysler, und man hatte unterstellt, dass wir Investmentbanker die Mächtigen seien und bestimmten, wie Unternehmen verschoben würden. Meine Antwort war eindeutig: Das ist nicht richtig. Vielmehr bin ich, in Anführungszeichen, eine »Hired Gun«. Man mietet uns, um ein bestimmtes Problem zu lösen. Also in diesem Fall, um eine transatlantische Transaktion im Rahmen eines Aktientausches über verschiedene rechtliche Systeme und Kapitalmärkte hinweg zu akzeptablen Bedingungen für beide Seiten umzusetzen. Wir sind aber nicht diejenigen, die die strategische Logik ersinnen, da können wir höchstens begleitend Anregungen geben, aber das ist die Aufgabe des Topmanagements, das dazu viel qualifizierter ist als wir und das letztlich auch die Verantwortung trägt. Insofern habe ich mich im Bezug auf die technische Umsetzung der Transaktion als »Hired Gun« bezeichnet. Wenn man das Wort aus dem Zusammenhang reißt, klingt es natürlich martialisch. Gerade in Folge des Eindringens englischer Worte und Redewendungen in unseren Sprachraum kommt es häufig zu Missverständnissen.
    Das Investmentbanking hat dem Bankiersberuf, der etwas Steifes, Gesetztes hatte, das Moment der Jugendlichkeit hinzugefügt. Sehen Sie sich in dieser Rolle?
    Das Investmentbanking hat dem traditionellen Kreditgeschäft in Deutschland zunächst einmal die moderne Kapitalmarkttechnologie gebracht. Und die ist ganz klar angelsächsisch geprägt. Da ist eine neue Generation von Bankern herangewachsen, die mit Erfahrungen aus den USA oder aus Großbritannien auf den deutschen Markt gekommen sind und diese Technologien hier eingeführt haben. Das ist sicher ein Verdienst des Investmentbankings. Investmentbanker haben für die Treuhand die ostdeutsche Wirtschaft verkauft – mit standardisierten Verfahren: Vertraulichkeitserklärung, first round bid , second round bid , binding offer und so weiter. Damals waren diese Begriffe noch nicht so verbreitet. Heute kennt sie jeder Betriebswirtschaftsstudent. Damals wurde der Kauf und Verkauf von Unternehmen standardisiert und damit auch rationalisiert. Das hat dazu geführt, dass Portfolioentscheidungen aus Managementsicht schneller und mit vorhersagbaren Ergebnissen getroffen und umgesetzt werden konnten. Investmentbanker haben geholfen, einen Markt für Unternehmenskäufe zu schaffen. Auf diesem Markt werden Angebot und Nachfrage routiniert und effizient zusammengebracht. Dazu musste man nicht mehr rotweinglasschwenkend in einem Hinterzimmer sitzen, wie es das alte Bild vom Bankier war, und sagen: So wird es gemacht, ohne dafür eine rationale Begründung liefern zu können.
    Sie trinken nicht – das würde nur Zeit kosten.
    Ich trinke natürlich, aber keinen Alkohol. Nicht aus Zeitgründen, sondern um stets meine Sinne beisammen zu haben.
    Was halten Sie für Ihre große Stärke?
    Eine meiner mittlerweile größten persönlichen Fähigkeiten beruht einfach auf der vergleichsweise langen und intensiven Erfahrung, die ich jetzt in meinem Beruf habe. Manchmal komme ich mir schon wie ein Dinosaurier der Branche vor. Bei Goldman Sachs gibt es nur eine ganz kleine Gruppe von Mitarbeitern, die länger als ich dabei sind, und auch die über 50 -Jährigen sind dünn gesät. Darüber hinaus beruht die Erfahrung nicht nur auf einer vergleichsweise langen Zeit, sondern auch auf meiner Kenntnis der deutschen, europäischen und angelsächsischen Investmentbanking-Industrie. Ich bin mit ihr gewachsen.
    Sie sind der Erste, der im Investmentbanking alt werden will.
    Das habe ich vor. Ein Vorstandsvorsitzender, den ich berate, sagte kürzlich zu mir: »Diese Investmentbanker wechseln immer – keine Personalkonstanz!« Da habe ich ihm im Scherz geantwortet: »Jetzt seien Sie mal vorsichtig. Ich habe schon für Ihren Vorvorgänger und für Ihren Vorgänger gearbeitet, und ich sage Ihnen was: Ich werde auch noch
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