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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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performen, sie müssen immer wie Schauspieler agieren, sie sitzen immer vorne.« Freundschaften zu pflegen oder aufzubauen ist in dieser Position kaum mehr möglich: Innerhalb des Unternehmens sind die Vorstände immer auch Chef, außerhalb fehlt die Zeit. Die Beziehungen »entemotionalisieren sich«, funktionieren nur noch auf einer professionellen Ebene. »Diese Leute dosieren sehr fein, was und wie viel sie sagen, alles ist sehr taktisch ausgelegt«, erklärt Gushurst. »Es gibt wenige Vorstandsvorsitzende, die den Eindruck vermitteln, authentische, in sich ruhende Persönlichkeiten zu sein.«
    Die Krise riss Löcher in die abgeschottete Welt der Manager, der Blick wurde frei auf seltsam unbeholfene, aber auch uneinsichtige Männer, die auf Millionenabfindungen beharrten, obwohl sie ihre Unternehmen schwer beschädigt hatten. Die nach Jahren der Verklärung als »Masters of the Universe« oder als »kreative Zerstörer« Schumpeterscher Prägung unfähig waren, mit ihrem Scheitern umzugehen. Das einprägsame Bild dazu stammte nicht aus Deutschland, sondern aus Frankreich: Manager, die hinter Jalousien in verschwitzten Hemden ihren Lunch wie eine Henkersmahlzeit aufzehrten. Arbeiter hatten sie als Geiseln genommen, um sie zu zwingen, Verhandlungen über Werksschließungen wieder aufzunehmen. Plötzlich waren die Mächtigen sehr ohnmächtig.
    »Bei vielen Führungskräften sind die inneren Koordinaten ins Wanken geraten«, sagt Werner Penk, Partner bei der Personalberatung Heidrick & Struggles. Sie fühlten sich unter Druck, schliefen schlechter, hätten Angst um ihre Jobs. Auf Führungskräfte spezialisierte Psychologen und Einrichtungen berichten von großem Andrang. Die Schwäche wird nur im Verborgenen gezeigt; es gilt, was Jürgen Hambrecht, der Chef des Chemiekonzerns BASF , sagt: »Wer in meiner Position Angst hat, ist an der falschen Stelle.«
    »Nehmen Sie Schlafmittel?«, »Wie viele Menschen haben Sie entlassen?«, »Was fasziniert Sie an Geld?«: Es sind solche grundlegenden Fragen, denen wir in diesem Buch nachgehen. Gestellt haben wir sie elf führenden bzw. ehemals führenden Managern und einer führenden Managerin, in alphabetischer Reihenfolge: Frank Appel (Deutsche Post AG ), Alexander Dibelius (Goldman Sachs), Thomas Fischer (Deutsche Bank), Hubertus von Grünberg (Continental), Jürgen Hambrecht ( BASF ), Hartmut Mehdorn (Deutsche Bahn), Matthias Mitscherlich ( MANF errostaal), Werner Müller (Evonik, Ex-Bundeswirtschaftsminister), René Obermann (Telekom), Heinrich von Pierer (Siemens AG ), Kai-Uwe Ricke (Telekom) und Margret Suckale (Deutsche Bahn).
    Uns ging es aber nicht nur um Einblicke, sondern vor allem um Einsichten. Deswegen spielte bei der Auswahl der Gesprächspartner für dieses Buch nicht nur die Branche und die Unternehmensgröße eine Rolle, sondern die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Selbstreflexion: Kai-Uwe Ricke schildert eindringlich seine Seelenlage als Telekom-Chef; bei Heinrich von Pierer schimmert, trotz aller Souveränität, in jedem Satz die Enttäuschung über seinen jähen Fall durch; Hubertus von Grünberg, ehemaliger Aufsichtsratschef des Autozulieferers Continental, promovierte über die Relativitätstheorie, verstand aber die Strategie des kleineren Konkurrenten Schaeffler, der eine feindliche Übernahme plante, nicht mehr.
    Jeder unserer Gesprächspartner kam aus guten Gründen in seine Position: René Obermann durch seine Hartnäckigkeit, Margret Suckale durch ihre Disziplin, Alexander Dibelius durch seine Intelligenz, Matthias Mitscherschlich durch seine unkonventionelle, aber beharrliche Art. Das Verbindende bei allen ist die Lust an der Macht, die sie so nie nennen würden; die pen power , wie es im Englischen heißt: das Bewusstsein, dass jeder Strich ihres Kugelschreibers ein Stück Wirklichkeit verändert. Und jeder zahlt seinen Tribut dafür, keiner kommt ohne déformation professionnelle davon. »Ich habe gedacht, an der Spitze bist du frei«, sagt etwa Kai-Uwe Ricke, »man ist aber nicht frei. Ich war in meinem Leben noch nie so unfrei wie in den letzten Jahren bei der Telekom.«
    Dank muss sein. Vor allem an Andreas Bernard, mit dem die Idee zu diesem Buch eines Abends entstand. Und an Martina Wendl, die die Gespräche für uns verschriftlicht hat.

    Barbara Nolte, Jan Heidtmann, Juli 2009

Kai-Uwe Ricke
»Ich war noch nie so unfrei wie an der Spitze der Telekom«  
    Kai-Uwe Ricke ist ganz braun. Früher sah er im Fernsehen immer so aus, als hätte
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