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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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und die undichte Stelle finden könne. Mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden war das abgesprochen, auch den zuständigen Personalvorstand hatte ich einbezogen. Wir haben sehr lange damit gewartet, wir haben im Aufsichtsrat darüber gesprochen. Wir hatten sogar einen Rechtsanwalt da, der dem Aufsichtsrat über eine halbe Stunde erklärt hat, was es bedeutet, wenn ein Aufsichtsrat Geheimnisse an die Medien weitergibt. Als Verantwortlicher musste ich etwas tun. Sonst kommt irgendwann die SEC …
    … die amerikanische Börsenaufsicht, die auch über die Siemens-Korruptionsaffäre wachte …
    … und sagt: Was macht ihr da eigentlich?
    War Ihnen bewusst, dass das ein heikles Thema war?
    Logisch. Deswegen habe ich den Auftrag an den Chef der Konzernsicherheit auch unter Zeugen gegeben. Als ich eben von Misstrauen sprach, meinte ich allerdings nicht den Verrat von Geschäftsgeheimnissen, sondern viel profanere Dinge. Dass man bei jedem, mit dem man zu tun hat, irgendeinen Hintergedanken vermuten muss. Man kriegt ja von überall her E-Mails, wird dauernd von irgendwem benutzt. Da fängt man an, sich abzuschotten. Dann wird es potentiell einsam.
    Können Sie sich erklären, wie es manche Vorstandsvorsitzende trotz allem lange an der Spitze aushalten?
    Die machen die Position zu ihrem Leben. Das ist der einzige Weg: die totale Identifikation.
    Ron Sommer schien so einer zu sein. Er war die Telekom.
    Mister Telekom. Was nicht gut ist. Wenn man dann nicht mehr Mr. Telekom ist, wer ist man dann? Und deswegen sage ich Ihnen: Nicht jede Aufgabe ist eine wirkliche Lebensaufgabe, und darum geht es: die Lebensaufgabe zu finden. Und wenn man irgendwann feststellt, die Aufgabe ist es nicht, muss man sehen, dass man da wieder rauskommt. Vielen gelingt das nicht. Mir fällt auf die Schnelle nur mein Vater ein, der von sich aus den Absprung geschafft hat. Den hatte ich vorher nur als Workaholic erlebt. Mit Realschulabschluss hat er eine Karriere hingelegt, die ihn an die Spitze der Telekom führte. Mit 58 Jahren – da wusste keiner, wie das gehen soll, dass der mal in Rente geht – kam er nach Hause und sagte: Ich höre da morgen auf! Und seitdem segelt der auf seinem Boot durchs Mittelmeer. Er hat sich total verändert und ist wieder er selbst.
    Dachten Sie mal daran alles hinzuwerfen?
    Nein, ich war fixiert darauf, mein Bestes zu geben. Um so eigenartiger war dann das Gefühl, nachdem alles vorbei war: Was hast du da eigentlich gemacht? Ich spürte ein nie gekanntes Gefühl der Freiheit. Bei mir war ja beruflich immer eins ins andere übergegangen: Studium, danach gleich ein super Jobangebot als Vorstandsassistent bei Bertelsmann, dann habe ich ein Telekommunikationsunternehmen aufgebaut, dann acht Jahre Telekom …
    Sie wollten unbedingt an die Spitze.
    Ja, weil ich gedacht habe, da bist du frei. Man ist aber nicht frei. Ich war in meinem Leben noch nie so unfrei wie in den letzten Jahren bei der Telekom.
    Haben Sie Freiheit mit Macht verwechselt?
    Das ist es. Freiheit heißt, unabhängig zu sein. Wenn man das geschafft hat, geht es einem gut.

Hartmut Mehdorn
»Glauben Sie, dass ein Weichei ein so großes Unternehmen wie die Bahn führen kann?«  
    Der Capital Club im Berliner Hilton. Ein goldener Klingelknopf, der Mitgliedern Einlass verschafft. Der Fahrstuhl bringt einen hoch über den Gendarmenmarkt. Große Fensterfronten, davor der Deutsche Dom. Refugium für die Wirtschaftselite, eine Männerwelt. Gute Weine und Zigarren. An einer Wand eine Vitrine mit Handtaschen, zu kaufen als Geschenk für die vernachlässigten Frauen.
    Da kommt er schon, der kleine große Mann. Nur knapp über 1 , 70 Meter, muskelbepackt. Zehn Jahre lang hat Hartmut Mehdorn, 67 , sich als Bahnchef durch die deutsche Politik und Öffentlichkeit gerempelt: Streit mit den Lokführern, mit Meinhard von Gerkan, dem Architekten des Hauptbahnhofs, und Wolfgang Tiefensee, dem Verkehrsminister. Dabei hat er die Bahn saniert. Auf der Pressekonferenz, auf der er im Frühjahr 2 , 5 Milliarden Euro Gewinn verkündete – es war das beste Geschäftsjahr in der Geschichte der Bahn –, trat er zurück. Anlass war der Datenskandal bei der Bahn, bei dem allerdings bislang keine aktive Mitarbeit des Vorstandes auszumachen sei, wie sowohl der Aufsichtsrat als auch die mit der Überprüfung beauftragten Wirtschaftsprüfer von Price Waterhouse Cooper sagen.
    Hartmut Mehdorn setzt sich in einen Ledersessel und klemmt sich zwischen kurze, klobige Finger eine Zigarette. Die Stimme
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