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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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Öffentlichkeit?
    Ja, damit habe ich nicht gerechnet, das war heftig. Aber das Schwierigste an der Position eines Vorstandsvorsitzenden ist, dass man ziemlich einsam ist. Vielleicht habe ich noch nicht genug Abstand, um das richtig beschreiben zu können. Aber nicht nur bei der Bahn, eigentlich überall, auch bei Heidelberger Druck, wo ich vorher war, müssen Sie als Vorstandschef alle Entscheidungen am Ende alleine treffen. Jeder, der zu Ihnen kommt, will etwas von Ihnen. Jeder will eine Entscheidung, die ihm hilft. Sie müssen aber die Entscheidungen ganzheitlich treffen, sodass sie für das ganze Unternehmen richtig sind. Das heißt, dass Sie sehr viel öfter »Nein« sagen müssen, als Sie das selber wollen. Und damit machen Sie sich keine Freunde. Ein Unternehmen muss man sich wie ein Tischtuch vorstellen: Gewerkschaften, Betriebsräte, Führungskräfte, Länderregierungen, Parteien, Mitarbeiter, egal wer – alle versuchen dieses Tischtuch in ihre Richtung zu ziehen. Und wenn einer zu sehr zieht, fällt irgendwas runter. Das müssen Sie als Vorstandschef verhindern, denn dann haben sie Scherben, und die Scherben sind Ihre Scherben …
    … als Vorstandsvorsitzender ist man für alles verantwortlich …
    … das ist der Preis dafür, die Nummer eins zu sein. Es gibt nicht sehr viele Alphatiere, die das vertragen können.
    Sehen Sie sich als Alphatier?
    Nicht im klassischen Sinn. Aber ich glaube schon, dass ich gewisse Talente habe, die zu den Voraussetzungen gehören, um eine große Organisation zu führen.
    Welche denn?
    Die zentrale Fähigkeit eines Vorstandschefs ist es: Themen aufzunehmen, zu verstehen, zu sortieren, Prioritäten zu setzen, möglichst alle zur richtigen Zeit umfassend zu informieren, den Aufsichtsrat, die Führungskräfte, Betriebsräte und natürlich auch die Politik, da ist naturgemäß viel Raum für Fehler. Und eine griffige Strategie daraus zu machen. Diese darf aber nicht dick sein wie das Telefonbuch. Dann können Sie sie gleich vergessen. Sie muss knapp, eindeutig und lesbar sein. Sie sind am Ende darauf angewiesen, dass alle wissen, wo es lang geht, wo vorne ist und wo die Ziele sind.
    Wer ist ein klassisches Alphatier: Gerhard Schröder?
    Ich glaube schon, Kanzler zu sein, ist hochkomplex, ohne besondere Talente kommt man dort nicht hin.
    Wie haben Sie sich kennengelernt?
    Wir haben uns das erste Mal Anfang der 1990 er Jahre getroffen. Schröder war neuer Ministerpräsident in Niedersachsen, und ich war bei der DASA zuständig für Airbus und damit die Produktionswerke. Ich musste in einer Betriebsversammlung im Werk Lemwerder verkünden, dass dieses Werk geschlossen werden sollte. Da ging es natürlich emotional ziemlich zur Sache. Als die Betriebsversammlung abends zu Ende war, bin ich in Richtung Werkstor gelaufen. Da fuhr der Schröder vorbei. Sein Auto hielt an, die Scheibe ging runter, und er sagte: »Na, haste ja ganz schön Haue gekriegt!« Ich sagte: »Ja, alles Mist!« Da sagte er: »Komm, steig’ ein. Wir trinken zusammen ein Bier!« Auf dem Weg nach Hannover haben wir in einem Landgasthof lange diskutiert und ein paar Bierchen getrunken. So ist der Schröder.
    Der gefällt Ihnen.
    Ja. Er ist sehr menschlich und auch zuverlässig.
    Haben Sie heute noch Kontakt?
    Wir sind, sag ich mal, Freunde. Nicht, dass man sich da freitags zum Skat trifft oder so. Das haben wir nie gemacht. Aber wir haben uns immer ab und zu gesehen.
    Es war Schröder, der Ihnen den Vorstandsvorsitz der Bahn angetragen hat.
    Ja, er rief bei Heidelberger Druck an, wo ich damals noch Chef war, und sagte: »He, wir brauchen einen Bahnchef, du musst das jetzt machen.«
    Er fragte erst gar nicht.
    Nein, er hat nicht gefragt. Na ja, sagte ich, da muss ich wenigstens mit meiner Frau reden. Er wollte eine schnelle Antwort bis zum nächsten Mittag haben. Am Abend habe ich dann noch ins Internet geguckt zum Thema Bahn: Länge, Breite, Höhe. Alles über Ludewig. Alles über Dürr …
    … ihre Vorgänger …
    … im Internet findet man alles.
    Nachdem Sie Bahnchef geworden waren, sagten Sie: Sie seien »happy«, mal etwas fürs Vaterland tun zu können.
    Ich meinte damit kein hehres vaterländisches Gefühl. So mit Weihrauch, tief beeindruckt. Aber ein bisschen vaterländisch ist der Posten des Bahnchefs ja schon.
    Sie haben die Bahn sozusagen »entvaterländischt« und Eisenbahngesellschaften und Logistikunternehmen in der ganzen Welt zugekauft.
    Eine rein deutsche Bahn, die an den deutschen Grenzen endet,
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