Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
Vom Netzwerk:
lässt sich nicht mehr wirtschaftlich führen. Europa hat sich geöffnet, unser Markt hat sich verändert, und es war notwendig, sich diesem neuen großen Markt schnell anzupassen. Wir bieten für unsere Kunden auch Dienstleistungen außerhalb Europas an. Heute arbeitet jeder fünfte Mitarbeiter im Ausland. Wir sind ein internationales Unternehmen geworden. Es war im Rahmen der Bahnreform mein ausdrücklicher Auftrag, auch Herr Müntefering, der damals noch Verkehrsminister war, hat das so gesehen, aus der Bahn eine Aktiengesellschaft zu machen, die sich selbst trägt. Er sagte: Wir können uns das so nicht mehr leisten.
    Heidelberger Druck hatte 15000 Mitarbeiter. Die Bahn war, als Sie sie übernahmen, mit 320000 Mitarbeitern zwanzig Mal so groß. Wie fanden Sie sich zurecht?
    Das war für mich nicht so schwer, denn die Bahn war damals zwar sehr groß, aber in ihrer Produktion nicht sehr tief. Bei der Bahn machen sehr viele Menschen die gleiche Arbeit. Ein Zug, der von Hamburg nach München fährt, bekommt auf der Strecke ungefähr 7000 Steuerbefehle: Schranke hoch – Schranke runter. Geschwindigkeit hoch – Geschwindigkeit runter. Anhalten. Warten auf den nächsten Zug. Weiterfahren. Gleis wechseln. Das System der Bahn funktioniert in der Fläche paramilitärisch. Jeder verlässt sich auf seinen Nebenmann. Alles ist durch Dienstvorschriften genau geregelt, sodass die Organisation stabil arbeitet, ohne dass ein direkter Führungseinfluß notwendig ist.
    Was meinen Sie mit paramilitärisch?
    Es gibt viele, die das Gleiche tun. Wie beim Militär. Ein Fahrdienstleiter in Hamburg macht das Gleiche wie in Hannover, in Kassel, in Würzburg und in München. Die kennen sich nicht, aber sie tun alle das Gleiche und wissen es. Sie haben die gleichen Vorschriften und Befehle.
    Sie waren selbst beim Militär, als Hauptmann.
    Ja. Ich war ein Quereinsteiger. Ich wurde als Technischer Offizier eingestellt, da war ich knapp 30 Jahre alt und als Betriebsingenieur in der Montage des Transportflugzeugs Transall tätig. Als die ersten Flugzeuge ausgeliefert wurden, gab es die typischen Anlaufprobleme in der Truppe, und so hat die Bundeswehr Ingenieure aus der Industrie angefordert, um sie zu beheben. Die Bundeswehr wollte aber keine Zivilisten rumlaufen haben, deshalb mussten wir vier Wochen auf die Offiziersschule. Marschieren, Grüßen und eben den militärischen Umgang lernen. Am Ende wurden wir mit einem Dienstrang in die Truppe geschickt.
    Waren Sie gerne Soldat?
    Ja. Aber um es klarzustellen: Ich bin gegen Krieg. Mehr als Sie wahrscheinlich glauben. Weil ich mich noch gut an die Folgen des letzten Krieges erinnern kann. Dennoch finde ich es grundsätzlich wichtig, dass wir eine Armee haben. Ich glaube, dass die Menschen so gepolt sind, dass sie auf denjenigen einprügeln, der sich nicht wehren kann.
    Haben Sie etwas von Ihrer Bundeswehrzeit mit in die Wirtschaft genommen?
    Dass ich Disziplin für wichtig halte, hat auch mit dem Militär zu tun, aber nicht nur. Ich verliere nicht gerne Zeit. Leute, die zum Schwatzen ins Büro kommen – na gut, die kommen bei mir nicht so oft wieder.
    Sie waren ein strenger Chef?
    Ich bin immer gut mit meinen Mitarbeitern ausgekommen. Streng war ich vor allem mit mir selbst. Ich bin mein Leben lang immer morgens früh im Büro gewesen, eigentlich immer als Erster. In so einer Funktion muss man Vorbild sein. Ich hatte immer saubere Fingernägel und eine ordentliche Krawatte umgebunden. Und ich habe auch auf manches verzichtet, was ich gerne gemacht hätte.
    Auf was denn?
    Mal in die Kneipe gehen und mit Kumpels Skat spielen, zum Beispiel.
    Das sähe als Bahnchef schlecht aus?
    Sie können als Bahnchef nicht einfach mal so in ein Restaurant gehen, da kommt dann sofort einer mit dem Gästebuch oder mit einem Fahrschein, der ein Autogramm haben will. Ich hatte aber auch gar nicht die Zeit. Die Bahn ist mehr als ein Ganztagsjob. Man muss viel unterwegs sein in ganz Deutschland, und das kostet Zeit, oft bis spät in die Nacht. Wenn ich in Berlin war, bin ich spätabends oft allein zu Fuß nach Hause.
    Um runterzukommen?
    Ja, und manchmal ist auch meine Frau gekommen und hat mich abgeholt, und wir sind zusammen gelaufen. Wir gehen gerne spazieren.
    Treiben Sie Sport, zum Ausgleich?
    Nicht so viel, sonntags gehe ich manchmal zum Golfen. Ich bin zwar ein lausiger Golfer. Ich werde das auch nicht mehr lernen, aber meine Frau spielt besser. Da kann ich einfach hinterherlaufen. Und als junger Mann habe ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher