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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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Augen.
    Sie werden hohläugig. So wie Sie zum Schluss.
    Ich habe kürzlich Fotos von damals gesehen. Unglaublich, wie ich in der Zeit gealtert bin!
    Was war denn der erste Zwang, den Sie nach Ihrer Berufung zum Vorstandschef spürten?
    Die Öffentlichkeit. Die habe ich unterschätzt.
    Was genau haben Sie unterschätzt?
    Die Rolle, die ich hätte spielen müssen.
    Ihre Rolle war die des Unscheinbaren.
    Genau. Wer ist das überhaupt? Ich habe damals noch nicht verstanden, dass es dazu gehört, ein Bild von sich zu bauen – insbesondere für schwierige Zeiten, wie ich sie ja am Schluss hatte.
    Was meinen Sie damit: ein Bild von sich bauen?
    Ich hätte meine Persönlichkeit einfach stärker, bitte nicht falsch verstehen, zur Schau stellen sollen. Und das macht man – das brauche ich Ihnen nicht zu erzählen, wie man das macht: zum Beispiel über das Medium Fernsehen. Man muss sich nicht in Talkshows setzen, sondern man lässt sich interviewen.
    So schlecht können Sie mit den Medien nicht umgegangen sein: Die Porträts, die wir über Sie gefunden haben, waren fast alle positiv.
    Ich weiß. Erst hieß es: endlich, ein Junger. Der macht alles anders. Doch später bekam ich zu spüren, dass, wenn der Wind sich dreht, dieselbe Eigenschaft, die zuvor als Stärke galt, plötzlich zur Schwäche wird.
    Aus kompromissbereit wird entscheidungsschwach.
    Zum Beispiel. Oder aus überlegt wird zögerlich. Dagegen kann man sich nur ein bisschen wappnen, indem die Menschen schon zuvor ein Bild von einem haben.
    Wie sehen Sie sich selbst: als überlegt oder zögerlich oder als keines von beidem?
    Ich war immer derjenige, der sagte: Okay, alles verstanden – und jetzt schlafen wir mal eine Nacht darüber. Es gibt Unternehmensphasen, in denen das exakt richtig ist. Es gibt andere Unternehmensphasen, in denen ist es falsch.
    Nicht weil sich das Problem über Nacht verschärft hätte, sondern weil es ein falsches Signal war.
    Genau. Wenn ich heute noch einmal so eine Aufgabe übernehmen würde, würde ich ganz bewusst mein Handeln so ausrichten, dass es Signale aussendet. Ich würde zum Beispiel auch im Unternehmen Exempel statuieren. Jemanden, flapsig ausgedrückt, öffentlich bestrafen. Das habe ich nie getan. Als ich anfing, tauschte ich den ganzen Vorstand aus. Keiner hat darüber geredet, denn ich hatte es nicht in der Öffentlichkeit getan. Aber man muss es in der Öffentlichkeit tun, damit die Leute sagen: Wow! Der haut aber drauf!
    Aber so will man sich doch nicht geben, oder?
    Auf das Motiv kommt es an. Wenn man anfängt, das Spiel zu spielen: Kopf-ab hier, Kopf-ab da, und man tut es nur für sich, sein Ego, sein Fortkommen, dann ist es kritikwürdig, abscheulich, unmoralisch. Aber wenn man sagt: Ich bin verantwortlich dafür, dass es diesem Unternehmen als Ganzem gut geht. Dann ist es richtig. Wenn ich mit meinem Sohn heute auf der Fahrt von Zürich nach München eine Diskussion darüber führe, wie viel Aufwand er für sein Abitur treiben soll, dann bin ich ja auch hart, aber aus dem richtigen Motiv. Das ist dann gar nicht abscheulich. Aber dafür braucht man eine gefestigte Persönlichkeit und ein klares Motiv.
    Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
    Ich bin von meiner Persönlichkeit her der Raum-Gebende, Kompromisse-Suchende, der sich selbst nicht ins Rampenlicht schiebt. Nach der Losung von Laotse: Der beste Führer ist der, den man nicht sieht. Ich hatte mit meiner Art auch Erfolge: Als ich anfing, schrieben wir 24 Milliarden Euro Verlust, daraus machten wir 5 , 5 Milliarden Gewinn. Doch im Nachhinein glaube ich: Gewisse Unternehmen brauchen keinen Anführer, den sie nicht bemerken, sondern einen, der eine Show spielt. Ich meine das nicht abwertend.
    Ihnen fiel es schwer, zu repräsentieren.
    Das war nicht meine Art. Und wenn man es sich nur schnell anlernt, merken das die Leute sofort, zumal ich immer ein schlechter Schauspieler war. Nein, der Begriff Schauspieler ist eigentlich falsch. Man muss die Rolle, die man da bekommen hat, ausfüllen wollen, und ich war nicht verliebt genug in die Rolle des Telekomchefs. Ich wollte, als ich bei der Telekom 1998 anfing, nicht für die Ewigkeit bleiben, schon gar nicht an der Spitze. Ich weiß nicht, ob Sie sich an die Ereignisse von damals erinnern: Nachdem Ron Sommer weg war, wurde ein externer Kandidat nach dem anderen zerschossen. Als ich damals merkte, dass ein Vertrauensverhältnis zum damaligen Interimschef Helmut Sihler entstand, da reizte es mich. Nicht wegen der
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