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Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen

Titel: Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Autoren: Jan Barbara u Heidtmann Nolte
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keinem Zeitpunkt die absolute Gewissheit, dass diese Skepsis berechtigt war. Nur im Nachhinein ist dann natürlich jeder schlauer. Es gab sogar Stimmen, die die seit Ende der neunziger Jahre stetige positive Entwicklung der Märkte mit dem Erreichen eines neuen Gleichgewichts, den sogenannten »Efficient Markets«, erklärt haben. Durch die Globalisierung würde es keine großen zyklischen Einbrüche mehr geben, weil die Märkte eben so effizient seien, dass keine zyklischen Schwankungen mehr auftreten würden. Nun, auch hier sind wir im Nachhinein schlauer. Aber nehmen wir mal einen Moment lang an, dieses These hätte gestimmt: Wie falsch wären dann all die Entscheidungen derer gewesen, die auf ein Platzen einer Blase gesetzt hatten?
    Haben Sie an die Möglichkeit einer Periode effizienter Märkte geglaubt?
    Nein, natürlich nicht. Ich glaube sehr wohl an das Funktionieren der Märkte, aber ich glaube nicht daran, dass es in der Realität perfekte, vollkommen effiziente Märkte gibt. Wenn Sie so wollen, ist das sicher auch eine der Aufgaben einer Investmentbank, die Märkte wenigstens etwas effizienter zu machen. Aber das ist weit vom Idealbild der volks- und betriebswirtschaftlichen Modelle entfernt.
    Haben Märkte eine Moral?
    Märkte haben nur so viel oder so wenig Moral wie die Summe der Akteure in diesen Märkten.
    Es hängt also von den Akteuren ab.
    Ja, das ist genauso wie in jedem anderen sozialen System. Auch in der Schule gibt es Schüler, die spicken, und andere spicken nicht. Menschen überschreiten Grenzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Das sind ganz menschliche Beweggründe. Nur wenn diese Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten, in einem bestimmten System überhand nimmt, entsteht dadurch ein Problem für das Funktionieren eines Systems.
    Hatte das Finanzsystem in der Krise ein moralisches Problem?
    Nein, ich glaube nicht. Es gab bedauerlicherweise spektakuläre Einzelfälle, die auf die Branche abfärbten, die sicher auf moralisches Versagen hindeuten. Wie Bernie Madoff, der Anleger um zig Milliarden betrogen haben soll. Es wäre aber meiner Ansicht nach ein Fehler, die Ursache der Finanzkrise in der moralischen Verderbtheit der Akteure zu suchen, sie resultierte vielmehr aus, wenn Sie so wollen, dem unschuldigem Unvermögen, die Entwicklungen und Zusammenhänge exakt vorherzusehen. Dies führt in Kombination mit einem typisch menschlichen Herdentrieb, der in der Wirtschaft schon immer vorgekommen ist, zu spekulativen Blasen. Das ist kein neues Phänomen: Die sprichwörtliche Goldgräberstimmung, der Tulpenzwiebel-Boom, die Junkbonds, die Internet-Bubble, jetzt die Subprime-Krise, und es wird sicher weitere geben. Das Platzen dieser Blasen hat unterschiedliche Auswirkungen, mal nicht so schwerwiegende, mal schwerwiegendere. Die Insolvenz von Lehman Brothers, dieses singuläre Ereignis, dessen Folgen niemand absehen konnte, war sicher eine der schwerwiegenderen Folgen. Uns allen fehlte die Erfahrung, was passiert, wenn eine große Investmentbank plötzlich nicht mehr zahlungsfähig ist.
    Wie haben Sie die Pleite von Lehman Brothers erlebt?
    Ich war in einem New Yorker Hotelzimmer und habe es auf CNBC gesehen.
    Was dachten Sie?
    Ich war extrem überrascht. Bis zuletzt hatte ich wie viele andere vermutet, dass es eine durch staatliche Stellen vermittelte Lösung geben würde. Die Integration der Bank in eine andere, ähnlich wie dies bei Bear Stearns der Fall war, erschien eine Möglichkeit zu sein, direkte staatliche Hilfen eine andere.
    Wie war in den Tagen nach der Pleite die Stimmung an der Wall Street?
    Niemand wusste so richtig, wie es weitergehen würde. Würde die Pleite ein Unternehmen nach dem anderen umstoßen? Ich halte Goldman Sachs, in dem was wir tun, für eine der besten Banken; das zeigt auch unsere Marktposition. Dennoch, auch ich war mir nicht sicher, was die weitere Entwicklung für unser Haus bedeuten würde. Ich nutze da immer ein plakatives Beispiel: Nehmen Sie Michael Phelps, vielfacher Schwimm-Olympiasieger und Weltmeister, also sicher jemand, der ein ganz besonders starker Schwimmer ist. Aber wenn ein Tsunami kommt, nutzt ihm dies nichts, und er ist in genau derselben Gefahr zu ertrinken wie jeder andere auch. Wenn ein ganzes System zusammenbricht und man Bestandteil dieses Systems ist, kann man nicht mit Sicherheit davon ausgehen, zu überleben.
    Sehen Sie nicht in der Intransparenz des Systems einen der Gründe der Krise?
    Die zunehmende Intransparenz ist der Preis
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