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Die Crock-Expedition

Die Crock-Expedition

Titel: Die Crock-Expedition
Autoren: J. T. McIntosh
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flippte plötzlich aus.
    Es war kein richtiger Chronophantasmus, konnte es nicht sein, denn er befand sich nicht in einer Zeitfalte. Es handelte sich eher um ein Phantomgefühl, ausgelöst durch Neigung und vielleicht den Alkohol, etwas zwischen der tatsächlichen Erfahrung jenes Zustands und der gewöhnlichen Träumerei oder Grüblerei eines normalen fantasievollen Menschen.
    Da es kein wirklicher Chronophantasmus war, blieb er sich dessen bewußt, daß man das Jahr 2216 schrieb, daß er Ken Blake hieß, Erster Offizier von CHART 427, und auf dem Planeten Wysteria in einer Bar hockte. Auch besaß er noch ein Maß an Selbstkontrolle, das es ihm gestattete, als er erkannte, daß er zu jener Nacht zurückkehrte, in der er Valerie begegnet war, sich etwas anderem zuzuwenden …

A. D. 2166 – FÜNFZIG JAHRE ZUVOR
     
    Ehrfürchtig starrte der zehnjährige Knabe das unermeßlich groß wirkende, weiße Gebäude an, das am Stadtrand von London lag (fünfzig Meilen von Westminster entfernt), das die richtige SCHULE war, die SCHULE ohne Schüler, die dennoch den gesamten Unterricht erteilte. Manche der anderen Kinder in Trenton wußten weder, daß ihre TV-Lehrer echte Menschen mit Ehemännern und Ehefrauen und eigenen Kindern waren, noch interessierte es sie; für den durchschnittlichen Grundschüler existierten die Lehrer in den Kästen nur in eben diesen Kästen.
    Kenny hatte schon immer eine gewisse Neugier hinsichtlich der SCHULE gezeigt, die man stets in Großbuchstaben schrieb, um sie von der gewöhnlichen Schule in Trenton, Northumberland, zu unterscheiden, in der die Unterrichtsmonitoren standen. Er besaß bereits eine begrenzte Vorstellung von der hervorragenden Qualität der Lehrtechniken, weil man irgendwelche Erklärungen einer normalen Person nur schwer verstand, doch die Lektionen immer kristallklar waren. Natürlich mochte niemand die Schule. Andererseits wollte auch niemand unwissend bleiben. (Eine der Auffassungen, die das TV-Lehrsystem auf subtile Weise vermittelte, war die, daß niemand alles wissen wollte, aber auch nicht weniger als andere Kinder.)
    Und dann kam die Einladung, kam es zu einem jener äußerst seltenen Fälle, daß man einen Schüler zur SCHULE und zu einem Lehrer einlud. Die Einladung war an Kenny Blake gerichtet, ganz allein an ihn, und die Reaktionen der anderen Kinder fielen sehr unterschiedlich aus, reichten vom Spott über Aufregung bis zum Neid.
    »Kenny soll bestraft werden.«
    »Was hast du angestellt, Kenny? Schmutzige Wörter in den Monitor getippt?«
    »Ehrlich, ich bin sauer. Warum gerade Kenny Blake? Es gibt eine Menge anderer, die unsere Schule besser vertreten würden.«
    »Kenny, bringst du mir etwas mit?«
    »Mitbringen – was meinst du? Kenny kommt nie mehr zurück!«
    Miß Schofield, keine Lehrerin, sondern Unterrichtsassistentin, brachte ihn zum Bahnhof der Einschienenbahn in Nucasl. Als sich jedoch herausstellte, daß er mit der Bahn infolge verkehrstechnischer Mängel viermal hätte umsteigen müssen, verließ sie mit ihm den Bahnhof und begleitete ihn zum Flughafen, wo sie für ihn einen Platz in einer Postrakete buchte, die auf direktem Wege zur SCHULE flog.
    Sicherlich, er konnte in der Rakete nichts sehen, der Flug dauerte kaum eine Minute, und anschließend war ihm übel. Aber er hatte eine Erfahrung gewonnen, die ihm keiner mehr nehmen konnte.
    Nun war er ein Raumfahrer. Für mehrere Sekunden hatte die unerhört schnelle Rakete die Atmosphäre verlassen.
    Und dann stand er vor der SCHULE und starrte sie an. Ein freundlicher Postbeamter, gerührt von der Tapferkeit des kleinen Landjungen, der vor wilder Begeisterung über den Flug völlig aus dem Häuschen geriet, obwohl sein Magen sich beständig umdrehen wollte, schenkte ihm einen Riegel Puffreis.
    »Mit diesem Trick behelfen sich die Raumfahrer, Junge«, erklärte er. »Der Reis quillt und vertreibt die Übelkeit aus deinem Bäuchlein.«
    Folglich knusperte Kenny, während er das Riesengebäude anstaunte, noch an dem Puffreis. Er mochte ihn nicht besonders, doch das war gänzlich gleichgültig. Wenn die Raumfahrer so etwas taten, mußte er den Riegel restlos verzehren, und sollte ihm auch von jedem einzelnen Bissen schlecht werden. Aber ihm wurde nicht schlecht, im Gegenteil. Der Tip war gut. Ihm wurde so rasch wohler zumute, daß er sich nicht einmal zu schämen brauchte, weil sein erster Raumflug ihm Übelkeit beschert hatte.
    Die Empfangsdame ähnelte sehr Miß Schofield – vor ihr ängstigte er sich
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