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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau
Autoren: Kim Smage
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Liste abgehakt. Ihm war nichts aufgefallen, ehe er um eine Ecke gebogen war. Auf seiner normalen Route, zwischen zwei Gebäuden. Dort lag also ein Mensch, ihm war sofort klar gewesen, dass dort ein Mensch lag. Ob ihm etwas Ungewöhnliches aufgefallen sei, etwas Besonderes? Nur, dass es ein schöner Abend im September war, dass im Hafen ziemliche Stille herrschte, dass vor dem Bunker einige Autos standen. Das war nicht weiter ungewöhnlich, die deutschen Bunker waren ausgebaut und an allerlei Firmen vermietet worden. Einige verkauften Hundefutter, andere widmeten sich der Leibesertüchtigung. Die Junkies hielten sich an ihrer üblichen Sammelstelle auf, die Alkis dagegen waren seltsamerweise umgezogen. Jedenfalls waren sie nicht dort, wo sie sonst immer waren. Abgesehen von dem, der auf dem Boden lag. Der Securitaswächter hatte ihn sofort erkannt. Ein Stammgast in der Gegend, zusammen mit der restlichen durstigen Bande. Sie hatten ihm nie etwas getan. Und er ihnen auch nicht. Aber dort konnte er nicht liegen bleiben. Und als er versuchte, den Mann ins Leben zu rütteln, war ihm aufgegangen, dass der hier nicht nur seinen Rausch ausschlief. Hatte das sofort kapiert, war zurückgewichen und hatte die Polizei alarmiert. Ob er noch andere gesehen habe? Nein, wer sollte das denn sein? Niemand spazierte nachts durch Nyhavn, warum auch? Nicht einmal irgendeinen blöden Hundebesitzer hatte er gesehen. Aber Moment mal, war da nicht ein Wagen angelassen worden? Ja, das hatte er gehört, hinter einem Lagerschuppen, eine Straße weiter. Da war ein Motor angelassen worden. Jetzt wusste er es wieder. Sicher ein Bodybuilder, der vom Training kam, oder ein Bürovorsteher, der Überstunden gemacht hatte. Nicht weiter wichtig. Die Polizei nimmt es aber wichtig. Will wissen, wann und wo und ob er sich noch an mehr erinnern kann. Der Mann wird wütend, er hat gesagt, was er weiß. Will jetzt seine Ruhe. Es hat gereicht, den Typen tot wie einen Hering und bleich wie eine Möwe dort liegen zu sehen.
    Kommissarin Anne-kin Halvorsen muss lachen. Mitten in allem Kummer muss sie laut losprusten. Sie liest den staubtrockenen Vernehmungsbericht auf ihre Weise, liest eine ganz andere Sprache, als die A4-Bögen enthalten. Sie kennt den Wächter, den Securitaswächter, er ist nicht mehr der Jüngste und betrachtet Nyhavn als sein Revier. In dem er sich auskennt wie in seiner Westentasche. Ist in der Gegend geboren und aufgewachsen. Und spricht eine ganz andere Sprache als die im Bericht. Aber er ist ein prachtvoller Wachhund, immer schon gewesen. Hat manchen Einbruch verhindert, indem er die Täter wütend angeblafft hat, jetzt sollten sie sich verdammt noch mal von dannen heben! Wenn sie schon ein Verbrechen begehen müssten, dann doch zum Henker in anderen Stadtteilen. Und wenn nicht, dann werde er ihnen die Hölle heiß machen, mit Polizeistreifen morgens, mittags und abends. Und wo sollten sie dann hin? Um sich die Spritzen zu drücken, ihren Fusel zu trinken, ihren Rausch auszuschlafen, he? »Verschwindet, ihr guten Leute!« Anne-kin Halvorsen war sicher, dass seine Argumentation sich ungefähr so anhörte. Nyhavn war eine ruhige Gegend, zumindest in den Einbruchsstatistiken. Alles Mögliche ging dort vor sich, aber keine Einbrüche. Sie legt den Bericht beiseite und geht mit ihrem eigenen Bericht zur Besprechung.

4
    Die Besprechung ist schlimm. Eine der Frauen im Container ist also, aller Wahrscheinlichkeit nach, von einem Ziegelstein erschlagen worden. Auch die andere wurde von einem Stein am Kopf getroffen, doch als Todesursache wird Lungenkollaps genannt – langsames Ersticken –, die Frau hat einfach keine Luft bekommen. Und die Dritte – Anne-kin umklammert ihren Blätterstapel – die Dritte liegt auf der Intensivstation. Kommissarin Halvorsen atmet erleichtert auf, Intensiv bedeutet lebende Menschen. Niemand widmet sich einer Toten auf intensive Weise. Intensiv bedeutet, dass der »Spatz« noch lebt.
    »Aber«, sagt ihr Chef gerade, »vermutlich hat auch die Tatsache eine Rolle gespielt, dass die Frauen unter starkem Drogeneinfluss standen. Die beiden Toten und die Dritte waren dermaßen mit betäubenden, Aktivität hemmenden Mitteln vollgestopft, dass sie ins Meer hätten gehen können, ohne das zu merken.«
    Sie sind aber nicht ins Meer gegangen, Sundt, knurrt Annekin in Gedanken, sie wurden in einen Container geworfen. Ein kleiner Unterschied, klar?
    »Und deshalb glauben wir bisher, dass jemand oder mehrere die Frauen in den
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