Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau
Autoren: Kim Smage
Vom Netzwerk:
Krankenzimmern. Sie sieht niemanden mit Hoffnung oder Trauer im Blick kommen, sie fragt und hört immer wieder: »Wir müssen abwarten« als Antwort.
    Am Ende geht sie, nimmt die drei grauen Papiertüten und verlässt widerwillig das RiT. Händigt die Tüten der Technik aus und erfährt, dass Chef Sundt sie schon sucht. Er hält eine Krisenbesprechung ab. Sie sei dort erwünscht, falls ihr das genehm sei. Anne-kin seufzt, Sundts Ironie ist ziemlich durchsichtig, was sich dahinter versteckt ist der Wunsch, sie wütend zu machen. Damit aus ihrem »nach innen gekehrten Adrenalin«
    »nach außen gekehrtes Adrenalin« wird. Sundts eigene Ausdrucksweise, wenn er seine handgestrickte Krisenpsychologie vorführt.

3
    Der Säufermord in Nyhavn gewinnt ganz neue Aktualität, jedenfalls in den Medien. Dort wird über Zusammenhänge spekuliert. Und Theorien, die jeden Erfinderpreis verdient hätten, werden lanciert. Anne-kin Halvorsen genießt die Lektüre, in so manchem Zeitungsschmierer wohnt ein kleiner Krimiautor. Ansonsten ist der Fall nicht gerade amüsant.
    »Ich kann keine professionelle Distanz beibehalten, Vang«, weint sie sich bei ihrem Kollegen aus. »Ich nehme den ganzen Scheiß mit nach Hause, werde so wütend und sauer, dass …«
    »Ach? Ist das denn nicht der Normalzustand?«, erwiderte der schnurrbärtige rotblonde, total »unwiderstehliche« Kollege und weicht sofort zurück. Hebt entschuldigend die Hände. Weiße Flagge.
    »Aber sollten wir uns nicht lieber darauf konzentrieren, wer … wer Frauen und Abfall verwechselt?« Er wendet sich wieder seinem Bildschirm zu.
    Das tun mehr, als du glaubst, Vangi, murmelt Anne-kin und drehte sich ebenfalls zu ihrem Bildschirm um. Gibt Ankunft und Abfahrt der Schiffe an, die im aktuellen Zeitraum an den Kais von Nyhavn, am Transitkai und am Ladehammerkai gelegen haben, fügt Fahrtrouten, Schiffspapiere, Frachtlisten, Zertifikate usw. usw. hinzu. Andere Kollegen nehmen sich auf dieselbe Weise die LKW vor. Noch andere die im Hafen ansässigen Firmen. Falls der Hafen bisher noch nicht vollständig abgesperrt gewesen war, so ist er das jetzt auf jeden Fall. Und jetzt muckst die Hafendirektion nicht mehr, und auch sonst niemand. Der Mord im Suff war das eine, aber drei unbekannte, nichtidentifizierte Frauen in einem Abfallcontainer in der Jubiläumsstadt Trondheim, das war einfach entsetzlich, grauenhaft. Diese Wörter waren immer wieder zu hören: »Entsetzlich, einfach entsetzlich, ganz grauenhaft. Und das ausgerechnet hier!«
    Noch schlimmer wurde es, als die zweite Frau starb. Sie und die Ärzte kämpften einen ungleichen Kampf gegen den Tod. Nur der »Spatz« lebte noch. Identität unbekannt. In Taschen oder Kleidungsstücken nichts gefunden. Kleider und Schuhe stammten aus einer Kaufhauskette. Sie mochten zerrissen, verdreckt, blutverschmiert sein – Kleider und Schuhe waren trotzdem neu. Bei allen dreien. Die Silberringe waren von der Sorte, die bei jedem Straßenhändler und auf jedem Markt zu haben ist. Und der Pathologe, der die Innereien der Mädchen untersuchen sollte, würde wohl zu dem Ergebnis kommen, dass sie von innen so aussahen wie die meisten anderen jungen Frauen auch, egal, welcher Nationalität, denkt Anne-kin Halvorsen und klickt »drucken« an. Der Drucker fängt an zu brummen und zu ticken.
     
    Der Bericht der Renovierungsfirma war eine deprimierende Lektüre. »Menschliche Tragödie« würden die Zeitungen das sicher nennen, wenn es bekannt gegeben wurde. Ein Schüler bringt während einer praktischen Woche eine Schubkarre nach der anderen voller Tapetenreste und Eternitstücke, verschimmelter Teppichfetzen und Bauschutt mit Mörtel zum Container. Und wirft die Abfälle dort hinein, wie ihm aufgetragen worden ist. Zuerst die Steine. Im vorläufigen Obduktionsbericht des Pathologen hieß es, die eine Frau sei an Kopfverletzungen gestorben, die vermutlich von einem solchen Stein verursacht worden waren. Anne-kin bekommt eine Gänsehaut. Sie hofft, dass diese Information nie an die Öffentlichkeit gelangen wird. Es hätte auch Kristian sein können, ihr kleiner Bruder, der in die neunte Klasse geht, auch er hätte diese Frau zu Tode »steinigen« können, nur weil er seine Arbeit verrichtete. Es war einer aus der achten Klasse, und seine Geschichte war genau diese. Er hatte nur seine Arbeit verrichtet.
    Der Securitaswächter, der den Erstochenen gefunden hatte, hatte ebenfalls nur seine Arbeit verrichtet. Hatte seine Runden gedreht und auf seiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher