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Die Company

Die Company

Titel: Die Company
Autoren: Robert Littell
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des Zentralkomitees skandierten Tausende von Demonstranten »Nieder mit der Partei, nieder mit dem KGB«, während kommunistische Funktionäre durch Seiteneingänge das Weite suchten und, wie sich rasch herumsprach, Apparatschiks in den Büros mit einem Berg von Unterlagen die Reißwölfe fütterten, um belastendes Material zu vernichten. Als die Nachricht übers Radio kam, dass Jelzin eine Verfügung vorbereitete, mit der die Kommunistische Partei ihrer Macht enthoben werden sollte, tanzten die Menschen euphorisch auf den Straßen. In Parks und auf Plätzen wurden die Denkmäler bolschewistischer Führer umgestoßen, und vor der Lubjanka hob ein Kran die riesige Statue von Felix Dserschinski vom Sockel. Köstliche Minuten lang baumelte Dserschinski, der grausame Pole, der 1917 die Tscheka, die Vorläuferin des verhassten KGB, gegründet hatte, an dem Drahtseil um seinen Hals, während die Menge aus vollem Hals jubelte.
    Inmitten der ausgelassen Menschen, die den Sieg von etwas, das sie kaum verstanden, und die Niederlage von etwas, das sie nur zu gut verstanden, feierten, wanderte Asa wie in Trance durch die Straßen, wo sie, wie es die Zeitungen später nannten, »die Exekution der Exekutoren«, miterlebte. Doch nicht einmal das konnte für sie die qualvolle Leere erträglicher machen, die sie bis ans Ende ihres Lebens empfinden würde.
    Nur der Gedanke, dass sie einen Weg finden würde, die Zeit zu beschleunigen, gab ihr einen gewissen Trost.
     
    Der Uigure kontrollierte das Treppenhaus im Hotel Ukraine und signalisierte Endel Rappaport, dass die Luft rein war. Rappaport ging als Erster hinein und hielt dem Zauberer die Tür auf. »Hier können wir reden«, sagte er zu Torriti, als die dicke Tür hinter ihnen zufiel.
    »Wer ist das?«, fragte der Zauberer, während er den kleinen, schlanken Russen, der an der Wand lehnte, von oben bis unten musterte; der elegant gekleidete Mann Anfang vierzig war eindeutig keiner von Rappaports Uiguren.
    Rappaport lachte leise. »Wladimir ist ein Geschäftsfreund aus Dresden.«
    »Hallo Wladimir«, sagte Torriti.
    Wladimir verzog keine Miene.
    Rappaport fragte Torriti: »Wann geht Ihr Flug?«
    »Heute Nachmittag.«
    Rappaport, in einem Blazer mit Goldknöpfen und in der Hand einen Spazierstock, dessen goldener Knauf die Form eines Hundekopfes hatte, wedelte mit seinem kleinen Finger vor dem Gesicht des Zauberers. »Das Land, das Sie verlassen, ist nicht mehr das Land, in das Sie eingereist sind.«
    »Das kann man wohl sagen«, gab Torriti zu. »Jelzin wird Gorbatschow in den Ruhestand schicken und die Kommunistische Partei zerstören, so weit, so gut. Die große Frage ist nur, was kommt stattdessen?«
    »Alles wird besser sein als das, was wir hatten«, entgegnete Rappaport.
    »Tja, Sie müssen hier leben, mein Freund, nicht ich.«
    Rappaport räusperte sich. »Kommen wir zum Geschäft.« Als Torriti dem Russen an der Wand einen Blick zuwarf, sagte Rappaport: »Sie können ungeniert sprechen – ich habe vor Wladimir keine Geheimnisse.«
    »Also kommen wir zum Geschäft«, sagte der Zauberer.
    »Ich möchte Sie wissen lassen, dass meine Geschäftspartner großen Wert darauf legen, das Richtige zu tun. Aufgrund der Tatsache, dass die Verträge vor den aktuellen Ereignissen erfüllt werden sollten, sind sie bereit, die Verträge zu lösen und das auf Schweizer Konten eingezahlte Geld zurückzuführen.«
    Die Wangen des Zauberers bebten belustigt. »Bei uns zu Hause sagt man ›lieber spät als gar nicht‹«, erwiderte er.
    »Verstehe ich Sie richtig, Mr. Torriti? Sie wünschen nach wie vor, dass die Verträge erfüllt werden?«
    »Betrachten Sie es doch mal von meiner Warte aus, mein Freund. Meine Klienten möchten um jeden Preis verhindern, dass Jelzin nächstes Jahr um diese Zeit von denselben Gaunern in die Pfanne gehauen wird.«
    Der gnomenhafte Russe blickte den Zauberer an. »Sie sind ein seltenes Exemplar, Mr. Torriti.« Er streckte eine Hand aus, und der Zauberer schüttelte sie schlaff.
    »Es ist ein Vergnügen, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Endel. Ich darf Sie doch Endel nennen? Nur mache ich mir Sorgen, was Ihre Vergütung angeht. Es würde mir gar nicht behagen, wenn Sie bei all Ihrer Mühe zu kurz kämen.«
    »Ihre Sorge rührt mich, Mr. Torriti. Aber ich kann Sie beruhigen, ich stehe in Kontakt mit dem Rabbi, der mit jemandem in Kontakt steht, der als der Devisenbeschaffer bezeichnet wird –«
    Torriti war verdutzt. »Sie wissen von dem Devisenbeschaffer?«
    Endel
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