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Die Company

Die Company

Titel: Die Company
Autoren: Robert Littell
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Dinge nicht so laufen, wie sie sollten – der Krieg in Afghanistan ist dafür das jüngste Beispiel«, klagte ein anderer Kriegsheld.
    Pressebaron Uritzki sagte beschwörend an die Stabsoffiziere gewandt, dass Gorbatschow und Jelzin, wenn sie an der Macht blieben, den Militäretat drastisch beschneiden würden, was einer Demütigung der einst stolzen Sowjetarmee gleichkäme. Gorbatschows Militärberater Marschall Achromejew stellte klar, dass es zu spät für einen Rückzieher sei, sie müssten den Putsch zu Ende bringen, wenn auch nur, um die Glaubwürdigkeit der Armee zu erhalten.
    »Es gibt etwas Wichtigeres als Glaubwürdigkeit – das ist der Respekt der Massen«, warf ein älterer Offizier ein. »Wenn wir auf unsere Brüder und Schwestern in den Straßen schießen, verlieren wir ihre Achtung.«
    Ein ranghoher Kommandeur stand auf und strebte angewidert zur Tür. »Die wollen die Armee mit Blut beschmieren. Ich jedenfalls mache beim Sturm auf das Weiße Haus keinesfalls mit.«
    Ein hoch dekorierter Luftwaffenkommandeur stimmte zu. »Ich weigere mich kategorisch, meine Hubschrauber loszuschicken. Sie müssen sich schon einen anderen suchen, der den Befehl erteilt.«
    Je mehr die Debatte in gegenseitigen Vorwürfen ausuferte, desto stärker hatte Jewgeni, der vom Fenster aus zusah, den Eindruck, dass das Militär dem Putsch die weitere Unterstützung versagte. Als die Stimmung schließlich auf dem Nullpunkt angelangt war, tauchten Wodkaflaschen auf dem Tisch auf, und die Putschisten begannen, sich sinnlos zu betrinken. Jewgeni verließ den Raum und schlich sich in eines der Büros. Er machte die Schreibtischlampe an, nahm den Hörer des Telefons ab und wählte eine Nummer. Als sich Asa schließlich meldete, konnte er kaum den Triumph in seiner Stimme unterdrücken.
    »Jelzin kann schlafen gehen«, sagte er. »Sie haben den Angriff abgeblasen … Nein, die Rädelsführer wollten das Risiko eines Blutbades eingehen, aber das Militär hat sich quer gestellt … Ich glaube, es ist vorbei. Ohne die Armee kriegen die Putschisten die Massen nicht in den Griff. Jelzin hat gewonnen … Ich kann es selbst noch gar nicht richtig fassen. In ein paar Stunden geht die Sonne über einem neuen Russland auf. Dann wird nichts mehr so sein wie vorher … Treffen wir uns bei –« Jewgeni erstarrte, als er ein schwaches Echo im Hörer vernahm. »Ist da noch jemand in der Leitung?«, fragte er leise … »Keine Sorge. Wahrscheinlich war es nur Einbildung. Wir treffen uns am frühen Abend bei dir … ja. Für mich auch. Wir werden die Zeit verlangsamen, damit jede Sekunde für uns eine Ewigkeit währt.«
    Als er Asa auflegen hörte, hielt Jewgeni den Hörer weiter ans Ohr gepresst. Zwanzig Sekunden vergingen. Dann klickte es ein zweites Mal in der Leitung; Jewgeni stockte der Atem. Vielleicht sah er wirklich Gespenster; vielleicht waren solche Geräusche ja ganz normal oder hingen mit der Zentrale zusammen. Er machte die Lampe aus und verließ das Büro. Im Vorzimmer blieb er kurz stehen, damit seine Augen sich an die Finsternis gewöhnten. Er hörte Stoff rascheln und spähte angestrengt ins Dunkle; jemand stand an der Tür.
    Eine Frauenstimme, bebend vor aufgestauter Wut, zischte: »Also Sie waren es, Jewgeni Alexandrowitsch, Sie haben uns an die Konterrevolution verraten.«
    Er erkannte die Stimme – sie gehörte Mathilde, der Frau von Uritzki. Das Deckenlicht ging an, und sie trat auf ihn zu. In der Hand hielt sie einen metallischen Gegenstand.
    »Es ist uns nicht entgangen, dass die Konterrevolutionäre offenbar über jeden unserer Schritte Bescheid wussten. Mein Mann hat Krjutschkow gewarnt, dass wir einen Verräter in unserer Mitte haben, doch er hat das nicht ernst genommen. Er war überzeugt, dass Jelzin klein beigeben würde, wenn er erst begriff, wie hoffnungslos seine Position war.«
    »Er hat sich verrechnet«, sagte Jewgeni.
    »Sie sich auch!«
    Mathilde machte noch einen Schritt auf ihn zu, hob den Gegenstand in ihrer Faust und zielte damit auf Jewgenis Stirn. Da erst dämmerte ihm, was sie in der Hand hielt, und er erkannte, dass es für ihn keine Zeit mehr geben würde, die er verlangsamen konnte. »Auf den Erfolg«, stammelte er, »unseres hoffnungslosen –«
     
    G anz Moskau geriet in einen Freudentaumel. Lange Konvois von Panzern und Truppentransportern schoben sich über die Boulevards zur Stadt hinaus, bejubelt von Menschen, die den sichtlich erleichterten Soldaten Nelken und Rosen zuwarfen. Vor dem Gebäude
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