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Die Company

Die Company

Titel: Die Company
Autoren: Robert Littell
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zerzaust, die Augen vor Müdigkeit rot gerändert, tigerte auf und ab, während er einer erschöpften Sekretärin eine weitere Erklärung diktierte. Er brach mitten im Satz ab, als er Asa bemerkte. Sie nahm ihn beiseite und berichtete ihm rasch, was sie von ihrem Informanten erfahren hatte. Jelzin rief einen von den Veteranen zu sich und teilte ihm die Information mit. Der Offizier eilte hinunter in die Kantine, die zum Schlafsaal umfunktioniert worden war, und erläuterte einer Gruppe von Helfern die Situation. Drei Panzer hätten den Befehl erhalten, eine Barrikade auf dem Garten-Ring einzureißen, um die Verteidigungsbereitschaft der Konterrevolutionäre zu testen. Es sei äußerst wichtig, dass Jelzins Anhänger ihre Entschlossenheit zum Widerstand demonstrierten. Der Offizier rief nach Freiwilligen. Sieben Studenten, sechs Veteranen und ein älterer Mann, der vor der Kommandozentrale Wache gestanden hatte, hoben die Hand.
    Die Freiwilligen stopften sich die Taschen mit Munition voll und griffen sich etliche Kartons mit improvisierten Molotow-Cocktails. Dann organisierten sie in der Tiefgarage drei Taxis, die sich vorsichtig durch die Menschenmassen auf dem Platz schoben, bevor sie in Richtung Innenstadt fuhren. Vom Arbat bogen sie auf den Ring und brausten zu der Barrikade. Es war eine halbe Stunde vor Mitternacht, und die Zahl der Verteidiger war beträchtlich geschrumpft, weil viele gegangen waren, um etwas Schlaf nachzuholen. Nur eine Hand voll Studenten und Studentinnen hielten die Stellung. Der Offizier verteilte die Molotow-Cocktails und postierte seine Freiwilligen ein Stück vor der Barrikade auf beiden Seiten der Straße.
    Um Mitternacht kamen drei Panzer in Sicht und näherten sich der Barrikade, der Asphalt knirschte unter ihren schweren Ketten. Als sie in Höhe der Verteidiger waren, die sich in kleinen Seitenstraßen vom Ring versteckt hatten, blies der Veteranen-Offizier schrill auf einer Trillerpfeife. Von beiden Straßenseiten huschten dunkle Gestalten auf die Panzer zu, in der Hand Weinflaschen, aus denen ein brennender Docht ragte. Die Panzerfahrer waren offenbar mit Nachtsichtgeräten ausgerüstet, denn die Gefechtstürme schwangen augenblicklich zur Seite, und ratterndes Maschinengewehrfeuer setzte ein. Die ersten beiden Studenten wurden niedergemäht, bevor sie ihre Molotow-Cocktails werfen konnten. Die anderen Kämpfer eröffneten aus den Seitenstraßen das Feuer, um die Aufmerksamkeit der Panzerschützen auf sich zu lenken. In dem Tohuwabohu hasteten zwei weitere Verteidiger auf den Ring. Der erste gelangte nahe genug an den führenden Panzer heran und schleuderte seinen Molotow-Cocktail gegen die Ketten, so dass der Panzer zur Seite schwenkte und gegen einen Hydranten prallte. Der Schütze im Turm wurde nach vorn geschleudert, und sein Maschinengewehr rutschte ihm aus den Händen. Im selben Augenblick schlich sich der zweite Kämpfer tief geduckt von hinten an den Panzer heran, kletterte hinauf und warf seinen Molotow-Cocktail in die offene Luke. Eine Stichflamme loderte auf, gegen die sich die Silhouette des Kämpfers abhob. Der Veteranen-Offizier schrie: »Mach, dass du wegkommst!« Der Mann drehte sich um und wollte von dem brennenden Panzer springen – zu spät. Der Schütze im zweiten Panzer eröffnete das Feuer, und von Kugeln durchsiebt, fiel der Kämpfer nach hinten gegen den brennenden Turm. Die Munition im Panzer begann zu explodieren, als der Körper des Kämpfers seitlich am Fahrzeug hinunter auf die Straße rutschte. Das Rauschen eines Funkgeräts im zweiten Panzer drang durch die Nacht. Die Fahrer der beiden übrig gebliebenen Panzer ließen die Motoren aufheulen und traten den Rückzug an. Von der Barrikade und aus den Seitenstraßen erhob sich Jubelgeschrei.
    Der Test war bestanden.
    Die Freiwilligen brachten die Leichen ihrer drei Kameraden zum Vorplatz des Weißen Hauses, wo sie so gut es ging vom Blut gereinigt und mit Blumen bedeckt aufgebahrt wurden. Die Veteranen erwiesen den Toten ihren Respekt, und ein orthodoxer Priester in vollem Ornat legte jedem von ihnen ein kleines Holzkreuz auf die Brust.
     
    Tessa schlief tief und fest an einem Schreibtisch, den Kopf auf die Arme gelegt, als Asalia Isanowa sie wachrüttelte.
    »Hat der Angriff begonnen?«, fragte Tessa, als sie Asalias tränennasse Wangen sah.
    »Dein Vater«, sagte Asa so leise, dass Tessa nicht sicher war, ob sie sie richtig verstanden hatte.
    »Mein Vater?«
    »Auf dem Ring hat es einen Angriff gegeben
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