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Die Company

Die Company

Titel: Die Company
Autoren: Robert Littell
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Russen dir nicht einen Schritt voraus sind? Woher willst du wissen, dass sie ihre Spitzel nicht absichtlich ein bisschen herumdrucksen lassen?«
    »Die Russen sind zwar mit allen Wassern gewaschen, aber nicht clever. Außerdem hat meine Nase nicht gezuckt. Meine Nase zuckt immer, wenn was faul ist.«
    »Hast du ihm die Geschichte abgekauft, dass der Resident sich an seine Frau rangemacht hat?«
    »He, auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs hat ein hoher Rang so seine Privilegien. Ich meine, was hast du davon, wenn du der Oberheini in Karlshorst bist und kannst nicht mal die Frau von einem deiner Untergebenen anbaggern, erst recht, wenn der schon in der Scheiße sitzt, weil er verheimlicht hat, dass er Halbjude ist? Hör zu, Kumpel, die meisten Überläufer wollen uns erzählen, was wir, wie sie glauben, hören wollen – dass sie vom Kommunismus ernüchtert sind, dass der Mangel an Freiheit sie erstickt, dass sie endlich begriffen haben, dass Stalin ein Tyrann ist, und den ganzen Schwachsinn.«
    »Und was erzählst du Washington jetzt? Dass deine Nase nicht gezuckt hat?«
    »Ich sage, die Wahrscheinlichkeit, dass der Bursche echt ist, liegt bei siebzig Prozent, und dass wir ihn exfiltrieren sollten. Ich sage, dass ich die Infrastruktur in achtundvierzig Stunden stehen habe. Ich sage, dass die Sache mit dem Maulwurf im MI6 untersucht werden muss. Wenn da nämlich was dran ist, sitzen wir ganz schön in der Scheiße; wir tauschen schon seit ewigen Zeiten alles mit unseren Vettern aus, es könnte also sein, dass unsere Geheimnisse via die Briten auf irgendwelchen Schreibtischen in Moskau landen. Und falls die in Washington kalte Füße kriegen, rufe ich denen ins Gedächtnis, dass es sich, auch wenn der Überläufer ein Spitzel ist, trotzdem lohnt, ihn rüberzuholen.«
    »Da komm ich nicht ganz mit, Harvey.«
    Der Zauberer drückte einen Knopf an der Sprechanlage. Seine Nachteule Miss Sipp steckte den Kopf ins Büro. Sie war so etwas wie eine Legende in der Berliner Basis, nachdem sie in Ohnmacht gefallen war, als Torriti einmal sein Hemd ausgezogen hatte, um ihr die Granatsplitterwunde zu zeigen, die die auf seinen Arm tätowierte nackte Frau geköpft hatte. Seitdem behandelte sie ihn, als hätte er eine ansteckende Geschlechtskrankheit, will heißen, sie hielt in seiner Gegenwart den Atem an und verbrachte möglichst wenig Zeit in seinem Büro. Der Zauberer schob den Bericht über den Schreibtisch.
    »Frohes Neues Jahr, Miss Sipp. Irgendwelche guten Vorsätze für 1951?«
    »Ich habe mir geschworen, dass ich in einem Jahr nicht mehr für Sie arbeite«, konterte sie.
    Torriti nickte zufrieden; er mochte Frauen mit scharfer Zunge.
    »Seien Sie doch so lieb und bringen das hier in den Funkraum. Sagen Sie Meech, er soll es verschlüsseln und gleich abschicken. Der verschlüsselte Text soll verbrannt werden, und das Original möchte ich in einer halben Stunde wieder auf meinem Schreibtisch haben.« Als die Nachteule aus dem Büro huschte, goss Torriti sich Whiskey nach, lehnte sich genüsslich in seinem Ledersessel zurück, den er billig auf dem Schwarzmarkt erstanden hatte, und legte die Füße auf den Schreibtisch. »So, jetzt will ich dir mal erzählen, wie das heikle Überläufer-Geschäft funktioniert, mein Lieber. Da du einen Abschluss von Yale hast, rede ich auch ganz langsam. Fangen wir mit dem schlimmsten Szenario an: Sagen wir, unser russischer Freund soll als Agent eingeschleust werden und uns falsche Informationen zuspielen. Damit er echt wirkt, schickt man ihn mit Frau und Kind, aber wir sind clevere CIA-Beamte, nicht wahr? Wir lassen uns nichts vormachen. Letzten Endes kann ein Überläufer seine Glaubwürdigkeit nur so beweisen – er muss eine gewisse Menge an echten Informationen mitbringen.«
    »Hab ich kapiert. Sobald er echte Informationen liefert, vor allem echte Informationen, die von Bedeutung sind, wissen wir, dass er ein echter Überläufer ist, richtig?«
    »Falsch, Kumpel. Ein Überläufer, der echte Informationen liefert, könnte trotzdem ein Spitzel sein. Auch ein Spitzel muss ein paar echte Informationen liefern, um uns zu überzeugen, dass er ein echter Überläufer ist, damit wir den Mist schlucken, den er uns zusammen mit den echten Informationen auftischt.«
    Jack, der von der Kompliziertheit des Spiels fasziniert war, setzte sich auf. »Das haben wir in Washington aber ganz bestimmt nicht gelernt, Harvey. Ein Überläufer, der echte Informationen liefert, muss also noch lange kein echter
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